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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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und sich alles in Ruhe überlegen können.«
    Der Arzt blättert in seinem Kalender und nennt uns zwei Termine, Mitte November und Mitte Dezember. »Der Krankenhausaufenthalt dauert zehn Tage: Sie würden dienstagabends einchecken in der Geisenhofer Klink am Englischen Garten, und wir würden Sie dann am Mittwochfrüh operieren.« Danach muss Evelyn erst mal zwei Tage komplett ruhig unter einer Heizdecke bei 40 Grad liegen, damit das Transplantat ohne Problem anwächst. Ein Glück, dass wir das nicht im Hochsommer planen!
    Aber wieder bin ich erleichtert, denn bei einem solchen Eingriff hätte ich auch locker mit Wartezeiten von vielen Monaten gerechnet. Aber Mitte November, das ist eigentlich sehr gut.
    Zum Schluss besprechen wir die finanzielle Seite: Schließlich muss das Unternehmen auch bezahlt werden. Professor Feller nennt uns den Betrag, etwa 15.000 Euro, den die beiden Operationen von seiner Seite aus kosten werden. Dazu kommen natürlich noch 20 Tage Krankenhaus plus Anästhesisten-Rechnung, also locker nochmal die doppelte Summe zusätzlich. Diese Rechnungen werden aber erst nach dem Aufenthalt fällig. Da es unsicher ist, ob und wenn ja wie viel die Kasse bezahlen wird, muss Professor Feller auf eine Überweisung vorab bestehen, wofür er bei uns um Verständnis bittet. Wir schauen uns kurz an, das ist zwar eine Menge Geld, aber wir haben noch Reserven.
    »Das ist kein Problem, wir können Ihnen den Betrag vorher überweisen«, sage ich. »Können Sie uns denn helfen, den Antrag bei der Krankenkasse durchzubekommen?«
    »Ich schreibe Ihnen gerne ein Gutachten.«
    Damit könnte es klappen, zwei Gutachten von Professor Schmutzler, Expertin für familiären Brustkrebs, und Professor Feller, Experte für die Mastektomie mit Rekonstruktion – das wird die Krankenkasse vielleicht überzeugen. Zumindest werden wir hoffentlich einen gewissen Teil erstattet bekommen.
    Der Professor betont nochmals, dass wir ihn jederzeit kontaktieren können. »Es werden sicher noch Fragen auftauchen, wenn Sie jetzt gemeinsam darüber nachdenken. Rufen Sie an, ich bin zwar oft nicht zu sprechen, aber rufe Sie dann abends zurück. Ich stelle Ihnen jetzt meinen Kollegen Doktor Heckmann vor. Er zeigt Ihnen noch ein paar Bilder von Brüsten vor der OP und nach der OP. Wenn Sie nichts dagegen haben, macht er auch gleich von Ihnen, Frau Heeg, noch ein paar Bilder.«
    Wir geben Professor Feller die Hand und verabschieden uns.
    Doktor Heckmann führt uns direkt in einen Fotoraum. Hier zeigt er uns am Bildschirm verschiedene Resultate. Beeindruckend. Der größte Störfaktor äußerlich sind die langen Narben am Hintern oder am Bauch. Praktischerweise befinden sie sich aber alle in der Bikinizone.
    Nach einer kurzen Fotosession von Evelyn verlassen wir die Praxis.
    Auf dem Weg nach unten sind wir einig: sehr sympathische Ärzte!
    Einige Tage später haben sich Horst und seine Freundin Tanja zum Abendessen angekündigt. Tanja hat ihr erstes gemeinsames Kind auf die Welt gebracht, Marvin heißt der Kleine. Sie sitzen in unserer Küche, und wir bestaunen artig den Knirps. Aber der Abend steht von Anfang an unter keinem guten Stern. In aller Breite berichtet Tanja von der Geburt und geht irgendwann über zu den Segnungen des Stillens. Ich bin nie so richtig warm geworden mit ihr. Evelyn hatte sogar schon sehr früh eine herzliche Abneigung gegen sie gefasst, weil Tanja sie an ihre Stiefmutter erinnert. Ich schaue Tanja prüfend ins Gesicht: Warum schneidet sie dieses Thema ausgerechnet jetzt an? Hat sie denn wirklich keine Ahnung davon, dass das für uns total vermintes Gelände ist? Wir hatten die Diagnose, die Mastektomie ist beschlossene Sache, für Evelyn ist also seit wenigen Tagen definitiv klar, dass sie in ihrem Leben niemals ein Kind stillen wird.
    Horst sitzt zufrieden dabei und scheint auch komplett im Hormonrausch versunken zu sein. Dabei weiß er das doch alles. Hat er Tanja nicht von dem Testergebnis und den OPs erzählt? Das kann ich mir kaum vorstellen. Ich versuche das Thema zu wechseln, aber Tanja ist hartnäckig. Sie lässt zwar ab von der Lobpreisung des Stillens, aber jetzt ist ein Hymne auf ihre Mutter dran: Wie toll sie unterstützt wird von ihr, wie sehr die Mutter aufblüht durch das Enkelkind und so weiter. Auch das ein Volltreffer. Das Gespräch wird langsam zum Desaster.
    Da die beiden nicht nachfragen, bringen wir irgendwann die bevorstehenden Operationen aufs Tapet. Bisher sind wir immer offensiv damit

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