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Oben ohne

Oben ohne

Titel: Oben ohne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Heeg
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das würde vieles erleichtern. Aber kann man das bei einem Plastischen Chirurgen in München erwarten? Viel Betrieb herrscht auch nicht, wir sind die einzigen Wartenden hier, und wenige Minuten später werden wir aufgerufen. Auch das Zimmer des Arztes ist geschmackvoll eingerichtet, viele dunkle Farben, alles hat eine beruhigende Wirkung. Professor Feller gibt uns die Hand und bittet uns, Platz zu nehmen. Er ist schlank und vielleicht Anfang fünfzig. Sein Aussehen habe ich schon auf der Internetseite begutachten können. Aber in echt wirkt er deutlich sympathischer. Sein Händedruck ist fest, und dabei schaue ich in freundliche blaue Augen. Schon im ersten Augenblick habe ich einen sehr positiven Eindruck. Er strahlt Gelassenheit und Verbindlichkeit aus.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    Evelyn beginnt zu berichten: familiärer Brustkrebs, Gentest, Uniklinik Köln, Empfehlung von Frau Professor Schmutzler – und eben jetzt der Wunsch nach prophylaktischer Amputation mit Wiederaufbau.
    Der Arzt hört sich alles ruhig an und ergreift erst das Wort, als Evelyn ausgeredet hat.
    »Das ist eine gute Entscheidung, Frau Heeg. Ich kann Ihnen versprechen, dass Sie danach den Kopf wieder frei bekommen.«
    Ich spüre eine große Erleichterung, der Mann scheint unsere Lage zu verstehen – nicht nur medizinisch, sondern auch emotional. Was für ein Glück! Der Professor klärt uns in aller Ruhe über die Operation auf. Tatsächlich wird das Fettgewebe oft aus dem Bauch entnommen, aber eine Entnahme vom Po ist ebenfalls möglich. »Dann müssen wir aus technischen Gründen allerdings zwei Operationen durchführen.« Die beiden OPs werden meistens in einem Abstand von etwa vier Wochen durchgeführt: zuerst die eine Seite, also Entfernung des Brustgewebes, Entnahme des Fettgewebes aus dem Po und Transplantation in die Brust, wo das Gewebe wieder an die Blutgefäße angeschlossen wird. Den ersten Teil der OP muss Evelyn auf der Seite liegen. Dann vier Wochen später das ganze Prozedere auf der anderen Seite. Wegen der frischen Wunde, auf die man sie nicht lagern kann. »Bei Ihnen wird es eher auf eine Entnahme aus dem Po hinauslaufen.«
    »Muss ich denn vorher noch zunehmen?«
    »Nein, ich denke nicht.«
    Professor Feller verschwindet mit Evelyn kurz hinter einem Paravent, um sich ihren Hintern etwas genauer zu betrachten. Kurz darauf ruft er mich, und zeigt uns beiden, dass genügend Gewebe vorhanden ist. Das hätte ich zwar nicht gedacht, aber umso besser – eine Sorge weniger.
    »Wir schneiden um die Brustwarze herum, sodass auf Ihrer Brust keine Narbe zu sehen sein wird. Durch diese Öffnung entnehmen wir das Gewebe und führen auch das Fettgewebe ein.« Das ist beeindruckend: Durch eine so kleine Öffnung wird das alles gemacht!
    Die Brustwarze wird komplett entfernt, das wissen wir schon, denn die Gefahr, dass sich dort ein Tumor bilden könnte, ist einfach zu groß. Stattdessen, erklärt uns der Professor, verpflanze er einen Hautlappen aus dem Po an die Stelle der Brustwarze. Wenn die Wunden komplett verheilt sein werden, modelliert er in einem kleinen ambulanten Eingriff diese Hautstücke zu Brustwarzen. Wenig später kann man diese dann pigmentieren. Wer nichts von den OPs weiß, wird später nichts davon erkennen.
    »Wie sieht es aus mit dem Gefühl in der Brust?«
    Eigentlich kennen wir die Antwort schon, aber vielleicht hat der Spezialist hier auch gute Nachrichten. Aber der Arzt schüttelt bedauernd den Kopf: »Hinterher haben Sie leider kein Gefühl mehr.«
    Aber die Vorteile dieser Methode liegen auf der Hand: Es ist Evelyns eigenes Gewebe, das auch mit ihr weiterlebt, sprich: zu- oder abnimmt, altert und sich der Körpertemperatur anpasst.
    »Wie hoch ist die Gefahr, dass etwas schiefgeht?«
    »Sehr gering: Wir haben dieses Jahr noch kein einziges Transplantat verloren. Aber natürlich besteht dieses Risiko.«
    Der Chirurg berichtet, dass er seit über zwanzig Jahren mit dieser Methode operiert – das überrascht mich. Ich dachte, das wäre eine brandneue Sache, frisch importiert aus den Staaten. Was man sich eben zusammenreimt, wenn man nur ein paar Informationsbrocken hat, und die unter Umständen sogar noch falsch sind. Professor Feller gibt uns die Kopie eines wissenschaftlichen Artikels über die Operationsmethode mit und schärft uns ein, dass wir ihn jederzeit anrufen können, wenn weitere Fragen auftauchen sollten.
    »Ich schaue gerade mal nach, wann wir Termine frei hätten. Nur, dass Sie Bescheid wissen

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