Oberwasser
Freiwillig, wie ich betonen möchte. Sie mussten mehrere Wochen in Untersuchungshaft verbringen, ich konnte erreichen, dass sie gegen Kaution freigelassen wurden.«
Goldackers hochroter Kopf verlor etwas an Farbe, man merkte, dass er sich langsam wieder auf gewohntem Terrain bewegte.
»Der anschließende Feststellungsbeschluss am Oberlandesgericht hat bewirkt, dass ein Eilverfahren gegen sie angestrengt wurde, das damit endete, dass sie eine Gefängnisstrafe auf Bewährung erhielten.«
»Eine Bewährungsstrafe für hundertdreißig versteckte Leichen!«, bemerkte Ostler entrüstet. »Für hundertdreißig Störungen der Totenruhe! Für hundertdreißig Strafvereitelungen!«
»Meine Mandanten haben ja keine Kapitalverbrechen begangen. Darüber hinaus mussten sie eine hohe Geldstrafe zahlen, bei der ihre gesamten Ersparnisse aufgebraucht wurden.«
»Wenigstens die buchhalterisch erfassten Ersparnisse«, murmelte Ostler. Jennerwein stieß ihn an und machte eine versteckte, beschwichtigende Geste.
»Meine Mandanten dürfen ihren geliebten Beruf nicht mehr ausüben, was sie besonders hart trifft. Und dann die letzte gerichtliche Auflage: Sie müssen sich täglich auf dem Polizeirevier ihres Wohnorts melden.«
»Und da sind wir«, rief Ursel mit Nachdruck. »Schreiben Sie uns in Ihr Meldebuch, und schon sind Sie uns wieder los, Herr Hauptkommissar.«
Goldacker holte eine Kopie des Gerichtsurteils aus dem Aktenkoffer, Jennerwein nahm sie in Empfang und las sie sorgfältig. Noch ein letztes Mal musterte er die beiden ehemaligen Bestattungsunternehmer. Sie hielten seinem Blick stand. Die beiden Parteien verabschiedeten sich kühl.
»Bis morgen dann«, sagte Ursel Grasegger zu Jennerwein.
»Die haben uns gerade noch gefehlt!«, rief der Hauptkommissar, als er sich im Besprechungszimmer wieder zu den anderen setzte. »Es geht mir wohlgemerkt nicht um diese tägliche Unterschrift. Es geht mir auch nicht um verletzte Eitelkeit, weil sie mir damals entkommen sind. Es geht mir darum, dass das Auftauchen dieser beiden unsere Pläne gefährdet. Die Graseggers sind nach wie vor sehr beliebt im Kurort, sie werden den täglichen Gang zum Revier vermutlich genüsslich auskosten – so wie die drauf sind.«
Stengele nickte bestätigend.
»Unsere mühsam aufgebaute Legende ist gefährdet. Das öffentliche Interesse wird durch die beiden wieder auf die Themen ›Mafia‹ und ›Organisiertes Verbrechen‹ gelenkt.«
»Und genau von diesen Themen wollten wir doch ablenken! Wo ist eigentlich Nicole Schwattke?«
»Die kommt gleich wieder. Sie hat gesagt, sie hätte da noch eine Idee.«
»Jetzt mal ganz was anderes«, sagte Becker. »Kann es nicht sein, dass die überraschende Rückkehr der Bestatter vielleicht sogar etwas mit den verschwundenen BKA -Leuten zu tun hat?«
»Möglich, aber unwahrscheinlich«, erwiderte Jennerwein. »Die beiden stehen ja ab sofort unter ständiger Beobachtung. Wie sollen sie da agieren können? Aber trotzdem. Wir wollen vorsichtig sein. Noch vorsichtiger als bisher.«
»Wir könnten die Graseggers natürlich morgen ganz offen daraufhin ansprechen«, schlug Stengele vor. »Wir könnten ihnen, ganz inoffiziell, einige spezielle Fragen stellen.«
»Nein, das werden wir nicht tun. Ich traue den beiden nicht über den Weg. Und diesem Goldacker auch nicht. Wir müssen den Dombrowski-Weißenborn-Fall schnell zu Ende bringen. Das ist unsere einzige Chance.«
»Wenn ich noch etwas sagen darf, Hubertus«, sagte Maria. »Vielleicht ist es ja auch von Vorteil für uns, dass die Graseggers wieder im Ort sind. Denn lenken sie nicht die öffentliche Aufmerksamkeit noch mehr von unserem eigentlichen Vorhaben ab?«
»Gut, sehen wir das mal so«, brummte Jennerwein, nicht restlos überzeugt. »Trotzdem ist Eile geboten. Wir nehmen uns den Peter Hartl und sein Anwesen vor. Das ist eine ganz heiße Spur. Nach allem, was wir über das Anwesen herausgefunden haben, ist da was faul.«
»Oberfaul.«
»Die Frage ist nur: Wie kommen wir ohne großes richterliches Trara da hinein?«, sagte Stengele. »Wir bekommen nie und nimmer einen Durchsuchungsbeschluss.«
»Ich weiß. Jedenfalls nicht so schnell.«
»Ganz verwegene Idee«, sagte Maria. »Nicoles Mann, der Wilderer, klopft nachts an und bittet um Asyl.«
»Der alte Hartl kennt doch jeden hier. Er wird schnell herausbekommen, dass mit dem Wilderer etwas nicht stimmt. Vielleicht schmeißt er ihn sofort wieder raus. Und einen zweiten Versuch haben wir
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