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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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eingesteckt.
    »Garantiert nicht digital«, hatte er stolz erklärt. »Albrecht-Dürerisch eben.«
    Tina dachte an Oliver. Auch sie malte Zeichen in den Sand. Ihre Zeichen sahen aus wie eine Gruppe von drei nebeneinanderstehenden Palmen, vielleicht auch wie die Silhouette von New York oder Landshut. Nach einem einzigen Wellengang glich das Gestrichel der Unterschrift eines Allgemeinarztes, nach der zweiten Welle musste man an die Spur eines hastig wegkriechenden Sandwurms denken, erst nach der dritten Welle war jede Zeichenhaftigkeit verschwunden.

35 .
    Als Schnäuzelchen wieder zu sich kam, lag er auf einer herrlichen Wiese. Dotterblumen blühten, Grashüpfer tranken aus gewölbten Löwenzahnblättern und kleine Erdspinnen saugten unvorsichtige Käfer aus. Schnäuzelchens Schädel brummte, er befühlte eine riesige Beule, aber sonst schien ihm nichts zu fehlen. Er richtete sich auf. Von ferne erklang spitzblecherne Blasmusik. Da war wohl die Beerdigung eines alten Kameraden im Gange.
♫  … einen bessern findst du nit. Die Trommel schlug zum Streite, er ging an meiner Seite …
Er blickte sich sorgfältig um. Er war mutterseelenallein. Er musste eine Weile im hohen Gras herumkriechen, bis er fand, was er suchte. Und da lag es auch schon, das kleine eckige Ding, das er vorher geistesgegenwärtig weggeworfen hatte, als der Pick-up die Fahrt verlangsamt hatte. Er war sich sicher, dass er während seiner Ohnmacht durchsucht worden war. Und dieses Mobiltelefon hätte ihn ganz bestimmt verraten.
     
    Die Blechmusik dort unten schepperte weiter, und der Wind trug wiederum ein paar Fetzen herauf:
♫  … Eine Kugel kam geflogen. Gilt’s mir oder gilt es dir? …
Er sah sich um, ob ihn auch wirklich niemand beobachtete. Dann tippte er eine Nachricht ein und schickte die SMS an Nicole. Er hatte verdammtes Glück gehabt, das wusste er. Er war sich zwar nicht ganz sicher, ob die Chevrolet-Fahrer nicht doch irgendwelche gelangweilte Outdoor-Eventler waren, die sich im Stil von
True Lies
als Geheimagenten wichtig machen wollten. Solche Trittbrettfahrer hatte es schon öfters gegeben. Andererseits war er durch einen Handkantenschlag an den Hals professionell außer Gefecht gesetzt worden. Laien schlagen auf den Hinterkopf, Profis ziehen die Arteria carotis vor. Und das Klacken des Sturmgewehrs hatte sich ebenfalls nicht nach der Sendung mit der Maus angehört. Er versuchte sich zu konzentrieren. Verdammt nochmal, hatte er nun den Namen Dombrowski gehört oder nicht, als die Frauen sich etwas zugeschrien hatten? Das konnte auch wunschhafte Einbildung gewesen sein: Dem Ängstlichen raschelt alles, dem Jäger ist alles Hase. Schade, dass er keine Gelegenheit gehabt hatte, nach einem Versteck zu fragen, das war ja der eigentliche Grund gewesen, warum er auf den Wagen gesprungen und sich auf dieses Abenteuer eingelassen hatte. Dann hätte sich schon herausgestellt, ob diese Leute Wichtigtuer oder ernsthafte Verbrecher waren. Sollte er telefonieren? Nein, lieber nicht, die Gefahr, dass er doch beobachtet wurde, war zu groß.
     
    Er beschloss, noch eine Weile auszurasten und sich dann an den Abstieg zu machen. Er schloss die Augen und versuchte zu rekapitulieren. Er hatte auf dem Bauch gelegen. Dann war der Schlag gekommen. Ein schneller, dumpfer Schmerz. Alles um ihn herum war schwarz geworden. Im Wegsinken hatte er noch Stimmen gehört. Es waren zwei Frauenstimmen. Und eine Männerstimme. Aber wo kam dieser Mann auf einmal her?

36 .
    Sehr geehrter Herr POM Hölleisen,
    leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass Ihr Ersuchen um Kostenausgleich wegen »Sonderausgaben im laufenden Einsatz« abschlägig zu bescheiden ist. Sie berufen sich auf einen Artikel des BayRKG (Bayrisches Reisekostengesetz), nach dem solche Sonderausgaben von der Abt. V (Abteilung Versorgung) zu erstattet wären. In Ihrem Fall ist allerdings entgegenzuhalten, dass ein Verzehr mehrerer Leberkäsesemmeln während eines Einsatzes den privaten Verzehr zu Hause ersetzt, ihm sozusagen vorgreift. Sie argumentieren nun so, dass Sie am Tag des Einsatzes gerade vom häuslichen Mittagessen gekommen und (Zitat) »eh schon satt« gewesen wären, dass Sie also die Leberkäsesemmeln (Zitat) »hineingezwungen« hätten und deshalb auf Kostenausgleich beharren. Dem ist entgegenzuhalten, dass sich dieser sicherlich unfreiwillige nachmittägliche Verzehr so auf das darauffolgende Abendessen ausgewirkt hat, dass Sie hier weniger (vielleicht sogar gar keinen) Hunger mehr

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