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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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Dr. Rosenbergers bester Beamter. Fred Weißenborn, sein engster Freund. Und auf der anderen Seite Kommissar Jennerwein. Wie würde
sie
sich denn eigentlich fühlen, wenn Hubertus verschwinden würde? Wenn sie in die Lage käme, ihn suchen zu müssen – doch das führte zu weit. Maria konnte der Musik überhaupt nicht mehr folgen. Sie war wahrscheinlich die Einzige hier, aber sie hoffte jetzt, dass sie bald zu Ende war. ♫ RARARRRRRATA ! röhrte ein mächtiges Sousaphon, es blitzte und donnerte, dann folgten endlose Schlussakkorde, bei denen es sicher unschicklich war, aufzustehen, noch dazu, wenn man in der Mitte der Reihe saß.
     
    Doch es gab so einen Unschicklichen. Aus den Augenwinkeln konnte Maria eine Gestalt erkennen, die sich durch die Reihen zwängte. Die meisten der Gestörten standen auf, andere drehten die Knie weg. Sollte sie es dem Banausen gleichtun? Die Gestalt war jetzt am Ende der Reihe angekommen, eine zweite Gestalt kam den Gang herunter und stieß fast mit ihr zusammen. Was heißt fast – er stieß mit ihr zusammen. Und jetzt bellte Fritz los, er schlug an wie ein wahrhaftiger Höllenhund, er jaulte auf, und das war kein Erschrecken wie bei dem eingestürzten Pfeiler auf der Baustelle, dieser Mantrailer hatte endlich – endlich! – Witterung aufgenommen, er hatte irgendetwas, was mit Dombrowski oder Weißenborn zu tun hatte, erschnüffelt. Es konnte eine Jacke sein, die einer der beiden getragen hatte, ein Stofffetzen, ein paar Haare – es war jedenfalls eine verdammt heiße Spur. Fritz war nicht mehr zu bändigen, Maria musste handeln. Sie öffnete den Rucksack und ließ den Hund laufen.
     
    Der Mantrailer rumpelte heraus und schoss durch die Stuhlreihe nach außen, die meisten rissen ihre Beine hoch. Fritz jaulte und japste, in wenigen Sekunden war er schon am Gang angelangt. Die Schlussakkorde donnerten immer noch, und Maria fasste den schnellen Entschluss, dem Hund nachzulaufen. Das war sie Hubertus schuldig. Sie sprang auf, stolperte über vorstehende Beine, gelangte aber schließlich zum Gang. Keine Spur von Fritz, keine Spur von den beiden Gestalten.
     
    Das Konzertareal war durch hüfthohe Buchsbäume vom restlichen Kurpark getrennt, Fritz sprang darüber. Er fühlte, dass die Duftquelle nur noch ein paar Meter von ihm entfernt war. Er sprang über eine Blumenrabatte, landete auf weichem Erdboden, dann war er am Ziel. Das Stück Stoff, das diesen Geruch ausströmte, lag vor ihm. Lustvoll biss er sich fest und schüttelte den Fetzen herum. Er ließ kurz los, um ein paar Signale abzusetzen, um sein neues Frauchen herbeizubellen, so wie er es gelernt hatte.
     
    »Stengele, kommen Sie schnell! Wir haben eine Spur!«
    Maria steckte das Telefon wieder ein. War da nicht ein Bellen zu hören gewesen? Auf der Bühne war ein langgezogener, leiser Schlussakkord zu hören, ein scheinbarer Rücktrittsakkord vom Schluss. Wieder hörte sie wütendes Gebell aus dem Park. Sie spurtete los. Die gepressten Flüche der Konzertbesucher hörte sie nicht mehr.
     
    Der Hund biss sich erneut in den Stoff fest. Plötzlich verspürte er einen scharfen Stich in der Nase, einen schneidenden Schmerz, der ihn verstummen ließ. Es war das Aus für Fritz. Endgültiger Schlussakkord.

41 .
    Zweiter Tag. Die Kopfschmerzen haben nachgelassen, sauberes Wasser ist genug da, aber der Hunger macht mich fertig. Schwächeanfälle, Schlaflosigkeit, Konzentrationsstörungen, Depressionen. Gegen Durst und Schmerzen kann man noch ankämpfen, dem Hunger ist man machtlos ausgeliefert.
    »Sie wissen, dass im Gehirn wichtige Bewegungsmuster gespeichert werden«, hatte der Weißkittel gesagt. »Das kennen Sie vom Autofahren. Vom zweiten Gang auf den dritten schalten – das ist abgelegt, da brauchen Sie nicht mehr groß darüber nachzudenken, das funktioniert immer. Die Bewegungssteuerung ist ein sehr ursprünglicher Bereich im Kleinhirn. Automatisierte motorische Abläufe anzulegen, das war für unsere Vorfahren eminent wichtig. Wenn wir es schaffen, solche Bewegungen zu programmieren, haben wir die perfekte ferngesteuerte Kampfmaschine. Die Hirnforschung ist noch nicht so weit, ich will mir in dieser Disziplin einen Namen machen. So wie das Konrad Lorenz bei der Verhaltensforschung gemacht hat. Ich werde mir
den
Namen machen. Und Sie sind mein Proband. Das Bewegungsmuster, das ich in Ihr extrapyramidales System implantiere, nehme ich aus dem primären motorischen Cortex eines anderen Menschen. Bevor ich Sie mit Details

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