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Oberwasser

Oberwasser

Titel: Oberwasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Maurer
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haben.«
    Großes, lang anhaltendes, immer wieder anschwellendes Gelächter in der Metzgerei Kallinger.
     
    Hölleisen drüben bei Hairbert tippte schon auf die Uhr, während sich bei Kallinger die Seiff Martina einschaltete.
    »Bräuche ums Jagen und Wildern sind schon was Schönes! Wie zum Beispiel das Jackel-Schutzen.«
    »Was ist denn das schon wieder?«, fragte der flachsblonde Kurgast.
    »Also, pass auf, Störtebeker: Eine Puppe, der Jackel eben, wird dabei in ein großes Tuch gelegt und von vier starken Männern hochge
schutzt
, also hochgeschleudert. »Früher wurde dazu keine Puppe genommen, sondern ein Forstamtsanwärter – wer hat sich denn schon eine Puppe leisten können. Vor hundert Jahren ist ausgerechnet zu Christi Himmelfahrt ein zaundürrer Jägergeselle beim Jacklschutzn so in die Höhe geworfen worden, dass er bis heute nicht heruntergekommen ist.«
    Brachiales Gelächter und Gegröle in der Metzgerei Kallinger, selbst der Oberstudienrat am Werdenfels Gymnasium biss, mit einem erstaunlichen Mangel an Würde, in die Leberkäsesemmel, dass der Saft links und rechts nur so herausspritzte. Gemeinderat Toni Harrigl kam herein.
    »Ja, lacht ihr nur!«, sagte er und deutete mit Daumen und Zeigefinger die gewünschte Dicke der Leberkäsescheibe an, die er in die Semmel wünschte.
    »Weißt du schon was Neues, Harrigl?«
    »Nichts weiß ich. Wie vom Erdboden verschluckt ist er, der Meuchelmörder. Wie wenn er sich in Luft aufgelöst hätte. Und der Jennerwein und sein Team!? Schweigen im Walde! Die dürre Psychologin siehst du den ganzen Tag mit dem Hund spazieren gehen, und der Jennerwein hat nichts Besseres zu tun, als mit der Gondel auf die Berge zu fahren. Er ist gesehen worden! Von den anderen ganz zu schweigen. Im Dunkeln stochern sie herum – und uns laufen die Fremden davon.«
    »Ich kann mich nicht beklagen«, sagte der Schreiner Beppi, der zwei Hotels im Ort hatte. »Wir sind ausgebucht, mehr als beim Neujahrsspringen.«
    »Ja, redet ihr nur!«, belferte Harrigl weiter. »Ich habe mich an höherer Stelle über den Jennerwein beschwert. Ich habe ja Kontakt auf allen politischen Ebenen. Die lasse ich spielen. Eine Dienstaufsichtsbeschwerde bekommt der, dass es nur so rauscht. So gehts ja nicht mehr weiter.«
    »Wer weiß«, sagte der Kottesrieder Loisl, »vielleicht hat der Wildschütz den Auftrag von jemandem bekommen.«
    »Ach so, dann wäre er ja ein Auftragswilderer! Von wem hat er den Auftrag aber bekommen?«
    »Vom Russ’!«
    »Oder vom Scheich?!«
    »Ihr habt ja nicht alle Tassen im Schrank«, fuhr die Seiff Martina dazwischen. »Da schauts einmal hinaus, wer da draußen vorbeigeht!«
    »Ja, das ist ja der Hölli – wie schaut denn der aus!«
     
    Orkanartige Lachsalven in der Metzgerei Kallinger.

52 .
    »Vorsicht, Becker! Passen Sie auf – wir sind hier im Hochgebirge!«
    Das sagte ausgerechnet Nicole Schwattke, als die beiden am oberen Ende der Höllentalklamm angekommen waren. Der kleine mickrige Hammersbach war hier noch ein leise dahinplätscherndes Rinnsal, lief sich aber schon warm fürs spätere Tosen und Reißen. Der Spurensicherer Hansjochen Becker und die Recklinghäuser Austauschkommissarin Nicole Schwattke waren den Weg vom Osterfelderkopf über das Hupfleitenjoch herunter zum oberen Klammeingang gewandert.
     
    Der Weg führt an längst verlassenen Eisenerz- und Molybdängruben vorbei, und man kann an einer bestimmten Stelle ein schönes Beispiel für den Effekt der Self-Fulfilling Prophecy studieren. Inmitten der sanften, idyllischen Landschaft ragt hier ein schroffer Felsen dreißig Meter in den Himmel, er hat einen leichten Überhang und besteht aus bröckeligem, in unregelmäßigen Abständen herunterbröselndem Kalkgestein – kein Mensch käme auf die Idee, ausgerechnet unter diesen Felsen zu treten. Das Wegeamt des Kurorts hat jedoch ein Hinweisschild dort am Stein angebracht, das von weitem nicht ohne weiteres lesbar ist, man kann gerade noch ein rotes Ausrufezeichen erkennen. Neugierig geworden, tritt man also unter diese überhängende Wand, um dann
Vorsicht, Steinschlag!
zu lesen. Manch neugieriger Wanderer ist auf diese Weise schon von Felsbrocken getroffen, dann bewusstlos hinuntergeschwemmt, in der Klamm wie Kalbschnitzel flachgeklopft worden – nein, Spaß, ist er nicht, aber für viel Erheiterung sorgt das Schild schon immer wieder. Und die dafür verantwortliche Stelle, nämlich das Wege- und Bauamt des Kurortes zeigt Humor und lässt es da, wo es

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