Objekt Lambda
schwinden begann.
Der Fremde war sowohl verzweifelt als auch verwirrt. Er hob den Arm, weniger, um sich zu verteidigen, sondern als reine Reflexbewegung. Er war unheimlich stark. Die unbeabsichtigte Gebärde riß Orgreiters Hand mitsamt dem Messer zurück und warf den Fremden gegen die kahle Felswand hinter dem Wasserfall, daß er mit dem Kopf dagegenprallte und betäubt auf den Boden sackte.
Orgreiter sank auf die Knie und umarmte besorgt das Ei. Die glänzende Schale wies glücklicherweise keine Beschädigung auf. Er drückte ein Ohr dagegen und hörte das dumpfe Klopfen des jungen Orgherzens und ein schwaches Geräusch, das – wie Orgreiter von seiner Mutter wußte – bedeutete, daß das Tier bald ausschlüpfen würde.
Dann wandte er sich dem Eindringling zu. Das gespenstische Gefühl war immer noch da. Es bestand kein Zweifel, der Mann, der hier vor ihm lag, war der gleiche, den die Beobachter getötet hatten. Und doch lebte er! Er hatte zwar viele Schnitt- und Schürfwunden und sah aus, als wäre er ein paarmal gegen eine Felswand geschlagen, aber er war nicht tot, obwohl er tot gewesen war.
Der Junge studierte ihn aufmerksam. Seine Kleidung war nicht ganz die gleiche wie zuvor, die Farben anders, und auch die glänzenden metallenen Dinge an seinem Handgelenk waren nicht dieselben. Trotzdem bestand kein ausschlaggebender Unterschied.
Jetzt dämmerte es dem Jungen auch, daß dies die Gestalt sein mußte, die er aus der seltsam schlagenden Maschine hatte fallen sehen. Vielleicht lag darin die Erklärung? Möglicherweise legte diese Maschine Eier, aus denen identische Kreaturen wie dieser Mann hier schlüpften? Er hatte zwar noch nie von so etwas gehört, aber genausowenig von einem Toten, der wieder lebte.
Er erinnerte sich, daß dieser Mann in seinem früheren Leben ein paar verständliche Worte gesprochen hatte. Darum fragte er ihn jetzt betont deutlich. »Hast du Hunger?«
Der Fremde öffnete die Augen. Aber er schien nicht verstanden zu haben. Er hantierte an dem Metallzeug um sein Handgelenk und deutete Orgreiter an, noch etwas zu sagen.
»Hast du Hunger?« wiederholte der Junge. »Ich habe etwas zu essen.«
Der Mann schüttelte den Kopf, aber seine Augen hingen an dem Proviantbeutel, den Orgreiter hatte fallen lassen. Er streckte die Hand danach aus.
»Also hast du doch Hunger?« kommentierte der Junge. Er schnitt ein Stück von der Wasserschlange ab und probierte es. Es schmeckte leicht süßlich und durchaus angenehm. Das zweite Stück hielt er an die Lippen des Fremden. Der Mann wimmerte und saugte gierig den Saft heraus.
»Gekocht wird es bestimmt noch besser schmecken«, murmelte der Junge und bot dem Fremden einen der saftigen Purpurstengel an. Der Mann kaute daran, während Orgreiter ein Feuer machte und eine der Schlangen darauf grillte. Es dauerte nicht lange, und der verlockende Geruch ließ ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Eine Hälfte der Schlange aßen sie noch halbroh, während die zweite garte.
Doch dann vergaß Orgreiter den Fremden, weil von dem Ei Geräusche wie von reißendem Stoff ausgingen. Das Ei schwankte im Nest, als bebte die Erde darunter. Ein dunkler Sprung zog sich über das bronzen gesprenkelte Blau der schwach leuchtenden Schale.
Orgreiter kauerte sich neben dem Nest nieder und starrte fasziniert auf das Ei. Er wollte gern helfen, wußte aber nicht wie. Die klopfenden Geräusche im Innern des Eies wurden heftiger, immer weiter riß der Sprung auf, und neue Sprünge kamen dazu. Durch sie hindurch konnte der Junge bereits den dunklen, nassen Kopf des Orgkükens glitzern sehen.
Jetzt drückte der Kopf sich durch den breitesten Sprung. Sofort begann er zu trocknen und veränderte die Farbe zu einem blassen Gelbbraun. Die großen Augen öffneten sich. Die Pupillen waren schwarz und wirkten geheimnisvoll in dem leuchtenden Blau, das sie umgab. Ihr erster Blick fiel auf den Jungen.
Orgreiter starrte aufgeregt zurück. Ihm schien, die Augen sähen ihn bittend an. Aber was wollte das Küken von ihm? Er ahnte es erst, als er merkte, wie heftig es atmete. Offenbar war die Anstrengung, die Schale zu sprengen, fast zu viel für das junge Wesen. Orgreiter zerrte mit beiden Händen an den Spalträndern und riß den Sprung weiter auf.
Nun schob sich der Rest des großen Schädels heraus und der bisher eingerollte Rumpf. Der Nestling stieß ein maunzendes Geräusch aus und atmete hörbar freier.
Zufrieden lehnte der Junge sich zurück. Jetzt wurde ihm bewußt, daß der
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