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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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verschwanden fast endgültig. Sachar begriff noch immer nicht ganz, worum es sich handelte, und schrieb alles ihrem Eifer zu. Als er aber eines Tages ein Präsentierbrett mit Tassen und Gläsern durch das Zimmer trug, zwei Gläser zerbrach, seiner Gewohnheit nach schimpfte und das ganze Brett zu Boden werfen wollte, nahm sie es ihm aus den Händen, tat andere Gläser und außerdem noch die Zuckerdose und Brot darauf und stellte alles so zusammen, daß keine einzige Tasse sich rührte, zeigte ihm dann, wie man das Präsentierbrett mit der einen Hand nahm und mit der anderen fest stützte, und als sie dann zweimal durch das Zimmer schritt, indem sie das Brett nach rechts und links drehte, ohne daß ein einziges Löffelchen sich bewegte, wurde es Sachar plötzlich klar, daß Anissja klüger war als er! Er riß ihr das Präsentierbrett fort, warf die Gläser zu Boden und konnte es ihr seitdem nicht verzeihen. »Siehst du, so macht man es!« hatte sie noch leise hinzugefügt. Er blickte sie mit stumpfem Hochmut an, und sie lachte nur. »Ach, du Bäuerin, du Soldatenweib, willst du die Kluge spielen? Haben wir denn in Oblomowka ein solches Haus gehabt? Und ich habe alles selbst geleitet; wir haben ja allein an Lakaien und Laufburschen fünfzehn Personen gehabt! Und euereins, Frauenzimmer, hat's soviel gegeben, daß man nicht einmal die Namen von allen wußte ... Und jetzt kommst du ... Ach, du! ...« – »Ich meine es ja gut«, begann sie. »Nun, nun, nun!« krächzte er und machte die drohende Bewegung, mit dem Ellbogen auf die Brust zielend: »Marsch, hinaus aus den herrschaftlichen Zimmern, geh in die Küche ... Bleib bei deiner Frauenzimmerarbeit!« Sie lachte und ging, und er blickte ihr düster von der Seite nach. Sein Stolz litt, und er behandelte seine Frau streng. Wenn es aber vorkam, daß Ilja Iljitsch nach irgendeinem Gegenstand fragte, den man nicht finden konnte oder der zerbrochen worden war, und wenn überhaupt im Hause etwas Ungehöriges vorkam und sich über Sachars Haupt ein Gewitter sammelte, das von »traurigen Worten« begleitet war, blinzelte Sachar Anissja zu, nickte mit dem Kopfe und zeigte mit dem Daumen auf das Arbeitszimmer des Herrn hin und sagte: »Geh du zum Herrn und schau nach, was er haben will.« Anissja ging hin, und das Gewitter löste sich immer in eine einfache Erklärung auf. Und sobald in Oblomows Rede sich »traurige Worte« einzuschleichen begannen, schlug Sachar selbst vor, Anissja zu rufen. In Oblomows Zimmern wäre alles wieder vernachlässigt worden, wenn Anissja nicht dagewesen wäre; sie zählte schon zu Oblomows Haus, löste unbewußt das unzerreißbare Band, das ihren Mann an das Leben, das Haus und die Person IIja Iljitschs kettete, und ihr weibliches Auge und ihre sorgsame Hand walteten in den vernachlässigten Räumen. Sowie Sachar sich abwandte, staubte Anissja die Tische und Sofas ab, öffnete das Fenster, richtete die Jalousien, räumte die inmitten des Zimmers hingeworfenen Stiefel oder die auf die eleganten Sessel hingehängten Beinkleider fort, musterte alle Kleider, sogar die Papiere, Bleistifte, Federmesser und Federn auf dem Tische durch und legte alles in Ordnung hin; sie schüttelte das zerwühlte Bettzeug auf, ordnete die Kissen und machte das alles mit drei Griffen; dann ließ sie noch einen schnellen Blick durch das Zimmer gleiten, rückte irgendeinen Sessel zurecht, machte die halboffene Schublade der Kommode zu, zog die Decke vom Tisch herunter und glitt rasch in die Küche, wenn sie Sachars knarrende Stiefel hörte. Sie war eine lebhafte, flinke Frau von siebenundvierzig Jahren, mit einem besorgten Lächeln, lebendig nach allen Seiten hinblickenden Augen, einem festen Hals und einer festen Brust und roten, geschickten, nie ermüdenden Händen. Sie besaß fast gar kein Gesicht; man bemerkte nur die Nase, trotz dem sie nicht groß war, doch schien sie sich vom Gesicht losgelöst zu haben oder ihm schlecht angefügt worden zu sein, und dabei war ihr unterer Teil nach oben gewendet, so daß das Gesicht dahinter gar nicht zu sehen war; außerdem war es so zusammengeschrumpft und verblichen, daß man sich von der Nase längst einen klaren Begriff gebildet hatte, bevor man das Gesicht auch nur bemerkte.
    Es gibt auf der Welt viele solcher Männer wie Sachar. Mancher Diplomat hört nachlässig den Ratschlag der Frau an, zuckt die Achseln und schreibt dann heimlich nach ihren Angaben. Manchmal hört ein Beamter pfeifend und mit einer Grimasse des Bedauerns dem

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