Oblomow
Geplauder der Frau über eine wichtige Angelegenheit zu und berichtet morgen mit wichtiger Miene dieses Geplauder dem Minister. Diese Herrschaften behandeln ihre Frauen ebenso düster oder leichtfertig, lassen sich kaum herab, mit ihnen zu sprechen, und halten sie, wenn nicht für Frauenzimmer, wie Sachar, so doch für Blumen, die zur Zerstreuung nach dem Geschäftlichen, Ernsten da sind ...
Die Mittagssonne sengte schon lange die Wege des Parkes. Alle saßen im Schatten unter Segeltuchmarkisen; nur die Kinderfrauen mit den Kindern gingen mutig gruppenweise herum und saßen unter den Mittagsstrahlen im Grase. Oblomow lag noch immer auf dem Sofa und trug sich mit Zweifeln über die Bedeutung seines Morgengespräches mit Oljga herum. »Sie liebt mich, in ihr ist ein Gefühl für mich erwacht. Ist das möglich? Sie träumt von mir; sie hat für mich so leidenschaftlich gesungen, und die Musik hat uns beide mit Sympathie füreinander angesteckt!« Ihn erfüllte Stolz, das Leben erstrahlte, er sah seine zauberhaften Fernen, alle Farben und Strahlen, die noch vor kurzem nicht da waren. Er sah sich schon mit ihr im Ausland, auf den Schweizer Seen, in Italien, durchschritt mit ihr die Ruinen in Rom, fuhr in einer Gondel, verlor sich dann in der Menge von Paris und London und dann ... dann befand er sich in seinem irdischen Paradies, in Oblomowka. Sie ist seine Gottheit, sie mit diesem lieben Geplauder, mit diesem feinen, weißen Gesichtchen und dem zarten, dünnen Hals ... Die Bauern haben nie etwas Ähnliches gesehen; sie werfen sich vor diesem Engel zu Boden. Sie schreitet langsam über das Gras hin, geht mit ihm im Schatten des Birkenhaines, sie singt ihm ... Und er versetzt sich in dieses Leben, in seinen stillen Lauf, in sein süßes Rieseln und Plätschern ... Er versinkt in ein Sinnen, das durch die befriedigten Wünsche, durch die Fülle des Glückes hervorgerufen wird ...
Plötzlich umdüsterte sich sein Gesicht.
»Nein, das ist unmöglich!« sagte er laut, sich vom Sofa erhebend und durch das Zimmer schreitend. »Mich lieben! Mich mit dem komischen Äußern, mit dem schläfrigen Blick, mit den welken Wangen ... Sie lacht nur über mich ...«
Er blieb vor dem Spiegel stehen und betrachtete sich lange, zuerst ärgerlich, doch dann klärte sich sein Blick auf; er lächelte sogar. »Mir scheint, ich sehe jetzt besser und frischer aus als in der Stadt«, sagte er; »meine Augen sind nicht trüb ... Es hat sich ein Gerstenkorn gezeigt, ist aber verschwunden ... Das kommt gewiß von der hiesigen Luft; ich gehe viel, trinke gar keinen Wein, liege nicht ... Ich brauche gar nicht nach Ägypten zu reisen.«
Es kam ein Diener von Marja Michailowna, Oljgas Tante, ihn zum Mittagessen zu bitten.
»Ich komme, ich komme!« sagte Oblomow.
Der Diener wollte gehen.
»Wart! Da hast du!«
Er gab ihm Geld.
Ihm ist fröhlich und leicht ums Herz. In der Natur ist alles so heiter. Die Menschen sind so gut; alle freuen sich; bei allen drückt sich das Glück auf dem Gesichte aus. Nur Sachar ist finster und blickt den Herrn immer von der Seite an; aber Anissja lächelt so gutmütig. – Ich schaffe mir einen Hund an, beschloß Oblomow, oder einen Kater ... lieber einen Kater; die Kater sind zutraulich und schnurren.
Er lief zu Oljga hin.
Aber ... Oljga liebt mich doch! dachte er unter wegs, dieses junge, frische Geschöpf! Ihrer Phantasie steht jetzt die poetische Sphäre des Lebens offen; sie muß von großen, schlanken Jünglingen mit schwarzen Locken träumen, mit einer sinnenden, verborgenen Kraft, mit Kühnheit im Gesicht, mit einem stolzen Lächeln, mit jenem Funken in den Augen, der im Blick untergeht und bebt und so leicht ans Herz dringt, mit einer weichen und frischen Stimme, die wie eine metallene Saite klingt. Aber man liebt ja nicht nur Jünglinge, nicht nur die Kühnheit im Gesicht, die Gewandtheit in der Mazurka und das Galoppieren auf dem Pferd ... Oljga ist ja kein Dutzendmädchen, dessen Herz man mit einem Schnurrbart kitzeln kann und dessen Ohr man mit dem Säbelklirren rührt; aber dann braucht man wohl etwas anderes ... die Macht des Geistes zum Beispiel, die das Weib demütigt und vor der sie das Haupt beugt, und die ganze Welt müßte sich vor dieser Macht beugen ... Oder ein gefeierter Künstler ... Und was bin ich denn? Oblomow und nichts mehr. Stolz ist etwas anderes; Stolz besitzt Verstand, Macht und die Kunst, sich selbst, andere und das Schicksal zu lenken. Wo er sich auch befindet, mit wem er
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