Oblomow
von der Seite, sondern fast gerade an.
»Nun?« fragte Oblomow, ihn erstaunt anblickend. »Ist vielleicht die Piroge fertig?«
»Haben Sie eine Wohnung gefunden?« fragte Sachar ebenfalls.
»Nein. Warum?«
»Ich hab' noch nicht alles in Ordnung gebracht. Das Geschirr, die Kleider, die Koffer, das liegt alles noch in einem Haufen in der Kammer. Soll ich es durchsehen?«
»Laß das noch«, sagte Oblomow zerstreut, »ich erwarte eine Antwort vom Gut.«
»Die Hochzeit wird also nach Weihnachten sein?« fügte Sachar hinzu.
»Was für eine Hochzeit?« fragte Oblomow, sich erhebend.
»Nun, natürlich die Ihrige!« antwortete Sachar ruhig, als spräche er von einer längst beschlossenen Sache. »Sie heiraten ja.«
»Ich, hei-ra-ten! Wen?« fragte Oblomow entsetzt, Sachar mit den erstaunten Augen verschlingend.
»Das Iljinskysche Frau ...« Sachar war noch nicht zu Ende, und Oblomow war schon dicht vor ihm.
»Was hast du, du Unglücklicher, wer hat dir diesen Gedanken eingeflößt?« rief Oblomow pathetisch mit gesenkter Stimme aus, indem er Sachar immer näher rückte.
»Warum bin ich denn unglücklich? Mir geht's Gott sei Dank gut!« sagte Sachar, zur Tür zurückweichend. »Wer? Iljinskys Leute haben es mir schon im Sommer gesagt.«
»P-st! ...« zischte Oblomow ihn an, indem er den Finger hob und Sachar drohte. »Kein Wort mehr!«
»Hab' ich es denn ausgedacht?« sagte Sachar.
»Kein Wort mehr!« wiederholte Oblomow, ihn zornig anblickend, und wies auf die Tür. Sachar ging und seufzte, daß man es in allen Zimmern hörte.
Oblomow konnte gar nicht zur Besinnung kommen; er befand sich noch in derselben Stellung und blickte entsetzt denselben Fleck an, auf dem Sachar gestanden hatte, dann legte er sich verzweifelt die Hände auf den Kopf und setzte sich auf den Sessel.
Die Leute wissen es! wälzte es sich durch seinen Kopf. Man klatscht schon in den Gesindestuben und Küchen! So weit ist es gekommen! Er hat zu fragen gewagt, wann die Hochzeit ist. Und die Tante ahnt noch gar nichts, oder wenn sie es tut, ist es vielleicht etwas anderes, Böses ... Oh, oh, oh, was sie sich wohl denkt! Und ich? Und Oljga? Ich Elender, was habe ich angerichtet! sagte er, sich auf das Sofa mit dem Gesicht auf das Kissen legend. Die Hochzeit! Dieser poetische Augenblick im Leben der Liebenden, die Krone des Glückes ist jetzt zum Gesprächsthema der Lakaien und der Kutscher geworden, während alles noch unentschieden ist, ich keine Antwort vom Gut habe, meine Brieftasche leer ist und ich noch keine Wohnung gefunden habe ...
Er begann den »poetischen Augenblick« zu analysieren, der, sowie Sachar davon zu sprechen begonnen hatte, plötzlich die Farben verlor. Oblomow betrachtete jetzt die Kehrseite der Sache, wälzte sich gequält von einer Seite auf die andere, legte sich auf den Rücken, sprang plötzlich auf, machte drei Schritte durch das Zimmer und legte sich wieder hin.
Es wird dabei nichts Gutes herauskommen! dachte Sachar erschrocken im Vorzimmer, warum hab' ich's nur gesagt!
»Woher wissen sie das?« sprach Oblomow, »Oljga hat geschwiegen, ich habe mich nicht einmal getraut, laut daran zu denken, und im Vorzimmer ist alles, alles schon entschieden worden! Das kommt von den Begegnungen unter vier Augen, von der Poesie des Morgen- und Abendrots, von den leidenschaftlichen Blicken und dem berückenden Gesang! Oh, diese Liebespoeme enden nie gut! Man muß zuerst zur Trauung gehen, und dann kann man in einer rosigen Atmosphäre schwimmen ... Mein Gott! Mein Gott! Ich müßte zur Tante hinlaufen, Oljgas Hand ergreifen und sagen: ›Das ist meine Braut!‹ Es ist aber nichts fertig; ich habe aus dem Dorfe keine Antwort, kein Geld und keine Wohnung! Nein, ich muß zuerst diesen Gedanken Sachar aus dem Sinn schlagen, den Klatsch wie ein Feuer auslöschen, damit er sich nicht verbreitet, damit es weder Flammen noch Rauch gibt ... Die Hochzeit! Was ist eine Hochzeit? ...«
Er wollte lächeln, als ihm seine frühere poetische Vorstellung von der Hochzeit einfiel: der lange Schleier, der Orangenblumenzweig, das Flüstern der Menge ... Doch es waren nicht mehr dieselben Farben: In der derselben Menge befand sich der rohe, schmutzige Sachar, Iljinskys Dienstboten, eine Reihe von Kutschern, fremde, kalte, neugierige Gesichter. Jetzt schwebte ihm nur Langweiliges und Schreckliches vor ...
Ich muß Sachar diesen Gedanken aus dem Sinn schlagen, damit er ihn für Unsinn hält! beschloß er, bald in krampfhafte Aufregung und bald in
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