Oblomow
untergegangen und dort leuchtete ein neues auf; da hatte man ein neues Welträtsel entdeckt, und dort zerfielen Häuser und Generationen zu Staub. Wo das alte Leben aufhörte, drang wie junges Grün ein neues hervor ... Und auch auf der Wiborgskajastraße im Hause der Witwe Pschenizin, wo die Tage und Nächte friedlich dahinflossen, ohne stürmische und plötzliche Veränderungen in das monotone Leben zu bringen, indem die vier Jahreszeiten ihre Funktionen wie im vergangenen Jahr wiederholten, blieb das Leben doch nicht stehen und veränderte sich in seinen Äußerungen, doch die Veränderungen gingen so langsam und allmählich vor sich, wie die geologischen Neubildungen unsres Planeten; hier versinkt langsam ein Berg, dort spült das Meer ganze Jahrhunderte lang Schlamm heran oder tritt vom Ufer zurück und bildet neue Erdstriche.
Ilja Iljitsch war genesen. Der Bevollmächtigte Satjortij hatte sich aufs Gut begeben und das für den Verkauf des Getreides eingetroffene Geld geschickt, wonach Oblomow ihm das Reisegeld, die täglichen Ausgaben ersetzte und eine Vergütung für die Mühe bestimmte. Was die Abgaben betraf, schrieb Satjortij, es sei unmöglich, das Geld einzusammeln, da die Bauern zum Teil verarmt und zum Teil sich in verschiedene Gegenden zerstreut hätten; es sei unbekannt, wo sie sich befänden, und er ziehe überall eifrig Erkundigungen danach ein. Bezüglich der Straßen und der Brücken schrieb er, daß das noch Zeit hätte, daß die Bauern es vorzögen, über den Berg und den Graben in den Marktflecken zu gelangen, wenn sie nur nicht an der neuen Straße und den Brücken arbeiten müßten. Das Geld und die Nachrichten stellten Oblomow mit einem Wort vollkommen zufrieden, er sah keine Notwendigkeit selbst hinzureisen und war in dieser Beziehung bis zum nächsten Jahr beruhigt. Der Bevollmächtigte ordnete auch den Bau des Hauses an; nachdem er mit Hilfe des Gouvernementsarchitekten die Quantität des nötigen Materials bestimmt hatte, ließ er an den Dorfschulzen den Befehl ergehen, mit Beginn des Frühjahrs Holz herbeizuschaffen, und baute einen Schuppen für die Ziegelsteine, so daß Oblomow im Frühjahr nur hinzureisen und den Bau in seiner Anwesenheit beginnen zu lassen hatte. Man hatte Aussichten, um diese Zeit die Abgaben einzusammeln, und außerdem wurde beschlossen, das Gut zu verpfänden, so daß man also die nötigen Mittel haben würde.
Ilja Iljitsch war nach der Krankheit lange Zeit düster, versenkte sich stundenlang in krankhaftes Brüten, beantwortete manchmal Sachars Fragen nicht und bemerkte nicht, wie er die Schalen zu Boden fallen ließ oder den Tisch nicht abstaubte, und die Hausfrau, die an den Feiertagen mit einer Piroge erschien, traf ihn weinend an. Dann wurde der quälende Schmerz nach und nach durch stumme Gleichgültigkeit abgelöst. Ilja Iljitsch sah stundenlang zu, wie der Schnee herabfiel, auf dem Hof und auf der Straße Haufen bildete, wie er die Höfe, die Hühnerställe, die Hundehütte, das Gärtchen, die Beete des Gemüsegartens zudeckte, wie die Zaunpflöcke zu Pyramiden wurden, wie alles erstarb und sich mit einem Leichentuch bedeckte. Er hörte lange Zeit dem Knarren der Kaffeemühle, dem Zerren an der Kette und dem Bellen des Hundes, dem Stiefelputzen Sachars und dem gleichmäßigen Ticken des Pendels zu. Zu ihm kam wie früher die Hausfrau herein und riet ihm, etwas zu kaufen, oder lud ihn ein, von ihren Speisen zu kosten; die Kinder liefen zu ihm ins Zimmer; er sprach gleichgültig und freundlich mit der Mutter, gab den Kindern Aufgaben auf, hörte ihrem Lesen zu und lächelte träge und matt, wenn sie plauderten. Doch der Berg verschwand allmählich, das Meer trat von dem Ufer zurück oder netzte es mit seiner Flut, und Oblomow nahm nach und nach sein früheres normales Leben wieder auf. Der Herbst, der Sommer und der Winter vergingen eintönig und langweilig. Doch Oblomow wartete wieder auf den Frühling und träumte von einer Reise aufs Gut. Im März wurden Lerchen gebacken, im April nahm man bei ihm die Doppelfenster heraus und teilte mit, die Newa sei aufgetaut und der Frühling habe begonnen. Er spazierte im Garten herum. Dann begann man das Gemüse zu pflanzen; es kamen verschiedene Feiertage: Pfingsten, der Semik und der Erste Mai; das alles war aus den Birken und Kränzen, mit denen die Häuser geschmückt wurden, zu ersehen; man trank im Wald Tee. In den ersten Sommertagen begann man im Hause von zwei großen bevorstehenden Ereignissen zu sprechen,
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