Oblomow
vom Namenstage des Bruders, dem Iwantage, und vom Iljatage, dem Namenstage Oblomows; das waren zwei wichtige Tage. Und wenn es der Hausfrau gelang, ein schönes Stück Kalbsbraten auf dem Markt zu sehen oder zu kaufen, oder wenn ihr eine Piroge besonders gut geriet, sagte sie: »Ach, wenn mir ein solcher Kalbsbraten und eine solche Piroge am Iwan- oder Iljatage geriete!« Man begann von dem jährlich am Eliasfreitag in Aussicht genommenen Spaziergang zu den Pulvermühlen und vom Fest auf dem Smolensker Friedhof in Kolpino zu sprechen. Unter den Fenstern ertönte wieder das laute Gackern der Gluckhenne und das Piepsen der neuen Küchleingeneration; man backte wieder Pirogen mit jungen Hühnern und frischen Pilzen, aß frischgesalzene Gurken; bald kam die Beerenzeit. »Das Gekröse ist jetzt nicht mehr gut«, sagte die Hausfrau zu Oblomow. »Man hat gestern für zwei ganz kleine Portionen siebzig Kopeken verlangt, dafür gibt es frischen Lachs; man könnte jetzt jeden Tag Betensuppe kochen.«
Die Wirtschaft stand im Hause der Pschenizin nicht nur deshalb auf einem so hohen Niveau, weil Agafja Matwejewna eine mustergültige Hausfrau war, und weil das ihr Beruf war, sondern auch weil Iwan Matwejewitsch Muchojarow in gastronomischer Beziehung ein großer Sybarit war. Er war, was seine Kleider und Wäsche betraf, mehr als nachlässig; er trug seine Anzüge viele Jahre und gab für die Anschaffung von neuen Kleidungsstücken nur mit Ärger und Widerwillen Geld aus, behandelte seine Sachen dabei nicht behutsam, sondern warf sie in einem Haufen in die Ecke. Er wechselte die Wäsche wie ein Arbeiter nur am Samstag; aber er ließ sich, was das Essen anbelangte, nichts abgehen. Er hielt sich in dieser Beziehung teilweise an die von ihm selbst während seiner Amtstätigkeit geschaffene Theorie, die lautete: »Man sieht nicht, was im Magen drin ist, und wird keinen Unsinn schwatzen, während eine schwere Uhrkette, ein neuer Frack, helle Stiefel unnötiges Aufsehen hervorrufen.« Infolgedessen erschien auf seinem Tisch der beste Kalbsbraten, bernsteinfarbenes Störfleisch und weiße Haselhühner. Der Bruder ging manchmal selbst auf den Markt und in die Läden und beschnüffelte alles wie ein Jagdhund, brachte unter seinem Rockschoß das beste Poulard, das aufzutreiben war, mit und gab vier Rubel für einen Kapaun aus. Er kaufte auch Wein, schloß ihn ein und holte ihn selbst heraus; aber bei Tische wurde außer einer Flasche Johannisbeerschnaps nichts gesehen; der Wein wurde im Giebelzimmer getrunken. Wenn er mit Tarantjew fischen ging, hielt er immer eine gute Sorte Madeira in seiner Tasche versteckt, und wenn sie in der Kneipe Tee tranken, brachte er seinen eigenen Rum mit.
Das allmähliche Ansammeln von Schlamm, das Hervortreten des Meergrundes und das Verschwinden von Bergen machte sich in allem und unter anderem auch in Anissjas Leben bemerkbar. Die gegenseitige Sympathie Anissjas und der Hausfrau verwandelte sich in ein unzertrennliches Band, in eine einzige Existenz. Als Oblomow das Interesse sah, das die Hausfrau an seinen Angelegenheiten nahm, schlug er ihr einmal im Scherz vor, alle Sorgen um seine Verpflegung auf sich zu nehmen und ihn von allen Scherereien zu erlösen. Ihr Gesicht erstrahlte vor Freude, und sie lächelte sogar ausdrucksvoll. Wie das Feld ihrer Tätigkeit sich vergrößerte! Jetzt sollte sie statt eines Haushaltes zwei oder einen ungeheuer großen haben! Außerdem gewann sie Anissja ganz für sich. Sie sprach diesbezüglich mit dem Bruder, und am nächsten Tag wurde alles aus Oblomows Küche in die Küche der Pschenizin geschleppt, sein Silberzeug und sein Geschirr ging in ihre Kredenz über und Akulina wurde zur Hühnermagd und Gemüsegärtnerin degradiert. Alles wurde jetzt en gros eingekauft; der Zucker, der Tee, die Konserven, die Gurken zum Salzen, die Äpfel zum Einlegen, die Kirschen zum Sieden – alles nahm große Dimensionen an. Agafja Matwejewna wuchs, Anissja regte ihre Hände wie ein Adlerweibchen die Flügel, und das Leben begann wie ein Fluß zu wogen und zu rauschen. Oblomow speiste mit der Familie um drei Uhr, nur der Bruder aß allein, später, meistens in der Küche, weil er sehr spät aus der Kanzlei kam. Den Tee und Kaffee brachte Oblomow nicht mehr Sachar, sondern die Hausfrau selbst. Er konnte abstauben, wenn er Lust hatte; wenn das aber nicht der Fall war, flog Anissja wie der Wind herein, wischte und blies, zum Teil mit der Schürze, zum Teil mit der bloßen Hand und fast mit
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