Oblomow
haben wir heute zum Abendbrot?«
»Sauerkraut mit Lachs«, sagte sie. »Es gibt schon nirgends mehr Störe; ich war in allen Geschäften und auch der Bruder hat überall nachgefragt – sind aber keine aufzutreiben. Vielleicht finde ich aber einen frischen Stör – ein Kaufmann aus der Karjetnatjastraße hat einen bestellt, und man hat versprochen, mir ein Stück davon abzuschneiden. Dann gibt es Kalbsbraten und gebratene Grütze ...«
»Das ist sehr schön! Wie lieb es von Ihnen ist, daran zu denken, Agafja Matwejewna! Wenn es Anissja nur nicht vergißt.«
»Wozu bin ich denn da? Hören Sie, wie es zischt?« antwortete sie, die Tür in die Küche ein wenig öffnend. »Es brät schon.«
Dann beendigte sie ihre Naht, biß den Faden ab, legte die Arbeit zusammen und trug sie ins Schlafzimmer.
Er rückte also wie an ein wärmendes Feuer an sie heran und kam ihr einmal so nahe, daß fast eine Feuersbrunst, jedenfalls aber ein Aufflammen entstand.
Er ging in seinem Zimmer auf und ab und sah, wenn er der Tür zuschritt, daß die Ellbogen sich mit ungewöhnlicher Geschwindigkeit bewegten.
»Sie sind ewig beschäftigt!« sagte er, bei der Hausfrau eintretend. »Was machen Sie?«
»Ich stoße Zimt«, antwortete sie, in den Mörser wie in einen Abgrund blickend und unbarmherzig mit der Keule stampfend.
»Und wenn ich Sie dabei störe?« fragte er, sie bei den Ellbogen fassend, so daß sie nicht stoßen konnte.
»Lassen Sie mich los! Ich muß noch Zucker stoßen und Wein für den Pudding herausgeben.«
Er hielt sie noch immer an den Ellbogen fest, und sein Gesicht war an ihrem Nacken.
»Sagen Sie, was wäre, wenn ich Sie ... liebhätte?«
Sie lächelte.
»Würden Sie mich wieder lieben?« fragte er weiter.
»Warum denn nicht? Gott hat befohlen, alle zu lieben.«
»Und wenn ich Sie küsse?« flüsterte er, sich zu ihr herabbeugend, so daß sein Atem ihre Wange sengte.
»Jetzt ist ja nicht die Osterwoche!« sagte sie lächelnd.
»So küssen Sie mich doch!«
»Wenn Gott uns Ostern erleben läßt, dann werden wir uns küssen!« sagte sie, ohne verlegen zu werden, sich zu wundern oder zu fürchten, sondern gerade und reglos dastehend wie ein Pferd, dem man das Kumt anzieht. Er küßte sie leicht auf den Hals.
»Geben Sie acht, ich werde den Zimt ausschütten, dann werde ich für Ihre Mehlspeise nichts haben!« bemerkte sie.
»Das macht nichts!« antwortete er.
»Was haben Sie da auf dem Schlafrock, wieder einen Fleck?« fragte sie besorgt. »Ich glaube, es ist Öl!« Sie roch am Fleck. »Woher haben Sie das? Ist es nicht aus dem Öllämpchen auf Sie heruntergetropft?«
»Ich weiß nicht, woher ich das habe.«
»Sie haben gewiß die Tür gestreift?« fiel es Agafja Matwejewna plötzlich ein. »Man hat gestern die Türangeln geschmiert; sie haben immer geknarrt. Ziehen Sie ihn aus und geben Sie ihn mir geschwind her, ich werde den Fleck herausmachen und die Stelle waschen; dann wird morgen nichts mehr zu sehen sein.«
»Gute Agafja Matwejewna!« sagte Oblomow, den Schlafrock träge von den Schultern abwerfend. »Wissen Sie was? Wollen wir aufs Gut fahren und dort leben; dort ist erst die wahre Wirtschaft! Was es dort alles gibt: Pilze, Beeren zum Einsieden, einen Geflügel- und einen Viehhof ...«
»Nein, wozu?« antwortete sie seufzend. »Wir sind hier auf die Welt gekommen, haben das ganze Leben hier verbracht und müssen auch hier sterben.«
Er blickte sie in leichter Aufregung an, aber seine Augen leuchteten nicht und füllten sich nicht mit Tränen; es trieb ihn nicht in die Höhe, zu irgendwelchen Heldentaten. Er hatte nur Lust, sich auf das Sofa zu setzen und die Augen nicht von ihren Ellbogen zu wenden.
Zweites Kapitel
Der Iwantag wurde feierlich begangen. Iwan Matwejewitsch ging am vorhergehenden Tage nicht in die Kanzlei, fuhr wie besessen in der Stadt herum und kam jedesmal mit einem Paket oder einem Korb zurück.
Agafja Matwejewna lebte drei Tage lang von Kaffee, und nur für Ilja Iljitsch wurden drei Gerichte gekocht, während die übrigen von irgendwas und irgendwie lebten.
Anissja legte sich am Tage vorher sogar überhaupt nicht schlafen! Nur Sachar schlief für sie beide und sah alle diese Vorbereitungen nachlässig und mit halber Verachtung an.
»Bei uns in Oblomowka wurde an jedem Feiertag so gekocht«, sagte er den beiden Köchen, die man aus der gräflichen Küche bestellt hatte. »Es gab manchmal fünf Torten, und die Soßen waren nicht zu zählen! Die Herrschaften haben den ganzen
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