Oblomow
forttragen konnte, werde ich nichts mehr tun können. Aber du könntest und müßtest dir ein kleines Arbeitsfeld wählen, dir dein Gut einrichten, dich mit den Bauern und ihren Angelegenheiten abgeben, bauen und pflanzen ... Ich werde davon nicht abstehen. Jetzt erfülle ich nicht mehr meinen eigenen Wunsch, sondern Oljgas Willen; sie will es – hörst du? – Daß du nicht ganz stirbst und dich nicht lebend begraben läßt – und ich habe versprochen, dich aus dem Grabe herauszureißen ...«
»Sie hat mich noch nicht vergessen! Bin ich es denn wert?« sagte Oblomow voll Empfindung.
»Nein, sie hat nicht vergessen und wird wohl auch nie vergessen; das ist keine solche Frau. Du mußt noch zu ihr aufs Gut zu Besuch kommen.«
»Aber nur nicht jetzt, um Gottes willen, nicht jetzt, Andrej! Laß mich vergessen. Ach, hier ist noch ...«
Er zeigte aufs Herz.
»Was ist da? Doch nicht Liebe?«
»Nein, Scham und Traurigkeit!« antwortete Oblomow seufzend.
»Nun gut! Wollen wir zu dir hinfahren? Du mußt ja jetzt bauen lassen; es ist Sommer, die wertvollste Zeit vergeht ...«
»Nein, ich habe einen Bevollmächtigten. Er ist jetzt auf dem Gute, und ich kann auch später kommen, wenn ich mit allem fertig bin und mir alles überlegt habe.«
Er begann vor Stolz damit zu prahlen, wie gut er, ohne sich vom Fleck zu rühren, seine Angelegenheiten geordnet habe, wie der Bevollmächtigte über die flüchtigen Bauern Erkundigungen einziehe, wie vorteilhaft er das Getreide verkaufe, daß er ihm anderthalb Tausend geschickt habe und in diesem Jahre wahrscheinlich auch die Abgaben einsammeln und schicken würde.
Stolz schlug bei diesem Berichte die Hände zusammen.
»Man hat dich bestohlen!« sagte er. »Anderthalb Tausend von dreihundert Seelen! Wer ist dieser Bevollmächtigte, was für ein Mensch?«
»Mehr als anderthalb Tausend«, verbesserte sich Oblomow. »Er hat aus dem Erlös für das Getreide auch die Vergütung für seine Mühe erhalten ...«
»Wieviel denn?«
»Ich erinnere mich wirklich nicht; ich werde es dir aber zeigen; ich habe irgendwo eine Rechnung.«
»Nun, Ilja! Du bist wirklich zugrunde gegangen und gestorben!« entschied er. »Zieh dich an und komm mit!«
Oblomow wollte sich wehren, aber Stolz führte ihn fast gewaltsam in sein Zimmer, setzte eine Vollmacht auf seinen Namen auf, ließ dieselbe von Oblomow bestätigen und erklärte ihm, er selbst wolle Oblomowka so lange in Pacht nehmen, bis Oblomow persönlich aufs Gut kommen und sich an die Landwirtschaft gewöhnen würde.
»Du wirst dreimal soviel bekommen«, sagte er, »aber ich werde nicht lange dein Pächter sein; ich habe meine eigenen Angelegenheiten. Komm jetzt aufs Gut mit oder folge mir bald nach. Ich werde auf Oljgas Gut sein; das befindet sich in einer Entfernung von dreihundert Werst von dem deinigen; ich werde hinfahren, den Bevollmächtigten fortjagen, alles anordnen, und dann kannst du selbst kommen. Ich werde dich nicht in Ruhe lassen.«
Oblomow seufzte.
»Ach, das Leben!« sagte er.
»Was ist mit dem Leben?«
»Es greift überall an, man hat keine Ruhe! Ich möchte mich hinlegen ... und für immer einschlafen ...«
»Das heißt, du würdest das Licht auslöschen und im Dunkeln bleiben! Ein schönes Leben! Ach, Ilja! wenn du doch wenigstens ein wenig philosophieren würdest, wirklich! Das Leben wird wie ein Augenblick dahineilen, und du möchtest dich noch hinlegen und einschlafen. Es soll ein ewiges Flammen sein! Ach, wenn man zwei-, dreihundert Jahre leben könnte!« schloß er. »Was man da alles leisten könnte!«
»Du bist etwas anders, Andrej!« entgegnete Oblomow. »Du hast Flügel, du lebst nicht, du fliegst, du bist begabt und ehrgeizig. Du bist nicht dick, leidest nicht an Gerstenkörnern und an Nackenjucken. Du bist ganz anders ...«
»Aber laß das! Der Mensch ist so erschaffen, daß er sich selbst lenken und selbst seine Natur verändern kann, und du hast dir einen Bauch wachsen lassen und glaubst, daß die Natur dir diese Last auferlegt hat! Du hattest Flügel, du hast sie dir aber gestutzt.«
»Wo sind denn die Flügel?« fragte Oblomow traurig. »Ich kann nichts ...«
»Das heißt, du willst nichts können!« unterbrach ihn Stolz. »Es gibt keinen Menschen, der nicht irgend etwas versteht; das gibt es wirklich nicht!«
»Ich kann aber nichts!« sagte Oblomow.
»Wenn man dir zuhört, müßte man glauben, du könntest nicht einmal ein Papier an die Polizeiverwaltung und einen Brief an den Hausherrn schreiben.
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