Oblomow
Tag daran gegessen und auch noch am nächsten Tag. Und wir haben fünf Tage lang an den Resten genug gehabt. Sowie wir damit fertig waren, sind wieder Gäste gekommen, und dann hat die Sache von vorn angefangen, und hier ist das einmal im Jahre!«
Bei Tische reichte er zuerst Oblomow und war für nichts auf der Welt zu bewegen, einen Herrn mit einem großen Orden auf der Brust zu bedienen.
»Unser Herr ist ein Edelmann«, sprach er stolz, »und wer sind denn diese Gäste!«
Tarantjew, der am Ende des Tisches saß, bekam von ihm entweder gar nichts, oder er legte ihm selbst so viel auf den Teller, als er es für gut hielt. Alle Kollegen Iwan Matwejewitschs, etwa dreißig Personen, waren erschienen. Eine riesengroße Forelle, gefüllte junge Hühner, Wachteln, Gefrorenes und ausgezeichneter Wein, das alles trug in würdiger Weise zur Feierlichkeit des Tages bei. Zum Schlusse umarmten die Gäste einander, lobten den Geschmack des Hausherrn über alles und setzten sich dann an die Kartentische. Muchojarow verneigte sich und dankte, indem er sagte, daß er für das große Glück, die teuren Gäste bewirten zu können, den dritten Teil seines Gehaltes geopfert hätte.
Gegen Morgen fuhren und gingen die Gäste, so gut es ging, fort, und im Hause beruhigte sich alles wieder bis zum Iljatage.
An diesem Tage waren von Fremden nur Iwan Gerassimowitsch und Alexejew, der stumme und bescheidene Gast, der Oblomow einst am Ersten Mai zum Spaziergang eingeladen hatte, zu Besuch. Oblomow wollte Iwan Matwejewitsch noch übertreffen und bestrebte sich, mit der Feinheit und Eleganz der Servierung, die in diesem Winkel unbekannt waren, zu glänzen.
Statt der fetten Fischpiroge erschienen mit Luft gefüllte Pastetchen; vor der Suppe wurden Austern gereicht; dann kamen Hühner in Papillotten, mit Trüffeln, süßes Fleisch, feines Gemüse und englische Suppe. In der Mitte des Tisches prangte eine ungeheure Ananas, von Pfirsichen, Kirschen und Aprikosen umringt. In den Vasen standen frische Blumen. Als man die Suppe in Angriff nahm und Tarantjew über die Pastetchen und den Koch für den dummen Einfall, nichts hineinzugeben, schimpfte, ertönte das verzweifelte Zerren an der Kette und das Bellen des Hundes. Ein Wagen fuhr in den Hof hinein, indem er mit der Deichsel gegen den Zaun stieß, und jemand fragte nach Oblomow. Alle rissen den Mund auf.
»Jemand von den vorjährigen Bekannten hat sich an meinen Namenstag erinnert«, sagte Oblomow. »Ich bin nicht zu Hause, sag, daß ich nicht zu Hause bin!« rief er Sachar flüsternd zu.
Man speiste im Garten in der Laube, Sachar wollte fortstürzen und stieß auf dem Gartenwege mit Stolz zusammen.
»Andrej Iwanowitsch!« krächzte er freudig.
»Andrej!« schrie Oblomow laut auf, stürzte auf ihn zu und umarmte ihn.
»Ich komme gerade zur rechten Zeit, zum Mittagessen!« sagte Stolz. »Gib mir zu essen, ich habe Hunger. Ich habe dich mit Mühe und Not gefunden!«
»Komm, komm, setze dich!« sagte Oblomow eilig, ihm neben sich Platz machend.
Bei Stolz' Erscheinen erhob sich zuerst Tarantjew, stieg rasch über den Zaun und verschwand im Gemüsegarten; ihm folgte Iwan Matwejewitsch, der sich hinter die Laube versteckte und sich dann in sein Giebelzimmer zurückzog. Auch die Hausfrau erhob sich von ihrem Platze.
»Ich störe ...« sagte Stolz aufspringend.
»Wohin denn, warum? Iwan Matwejewitsch! Michej Andreitsch!« rief Oblomow.
Er überredete die Hausfrau, sitzen zu bleiben, aber Iwan Matwejewitsch und Tarantjew ließen sich nicht mehr blicken.
»Woher, wieso, auf lange?« fragte Oblomow.
Stolz war geschäftlich auf zwei Wochen gekommen, begab sich dann aufs Gut, nach Kiew und Gott weiß wohin noch. Stolz sprach bei Tische wenig, aß aber viel; man sah, daß er tatsächlich hungrig war. Die anderen schwiegen erst recht. Nach dem Essen, als alles abgeräumt war, ließ Oblomow Champagner und Selters in die Laube stellen und blieb mit Stolz allein.
Sie schwiegen einige Zeit. Stolz blickte ihn lange und forschend an.
»Nun, Ilja!?« sagte er endlich so streng und fragend, daß Oblomow zu Boden blickte und schwieg.
»Also ›nie‹?«
»Was ›nie‹?« fragte Oblomow, als wüßte er nicht, worum es sich handelte.
»Du hast schon vergessen: ›Jetzt oder nie!‹«.
»Ich bin jetzt anders ... als ich damals war, Andrej!« sagte er endlich. »Meine Angelegenheiten sind Gott sei Dank in Ordnung. Ich liege nicht müßig da; mein Plan ist fast fertig, ich halte mir zwei Zeitschriften;
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