Oblomow
Lebens, auf seinen weiten Feldern und den grünen Hügeln ruhen. Ihre Schultern überlief kein Zittern, ihr Blick leuchtete nicht vor Stolz auf; erst dann, als sie den Blick von den Feldern und Hügeln auf denjenigen, der ihr die Hand reichte, richtete, fühlte sie, daß ihr langsam eine Träne über die Wange rollte ...
Sie saß noch immer da, als schliefe sie – so still war der Traum ihres Glückes; sie rührte sich nicht und atmete fast nicht. In Träumen versunken, blickte sie in die stille, blau schimmernde Nacht hinein, die mit sanftem Licht, mit Wärme und Duft erfüllt war. Das Glück hatte seine weiten Flügel ausgebreitet und glitt langsam, wie eine Wolke am Himmel, über ihren Kopf hin ... In diesem Traum sah sie sich nicht für zwei Stunden in Tüll und Spitzen eingewickelt und dann das ganze Leben lang in Lumpen des Alltags. Sie träumte von keinem Festmahl, von keinen Lichtern und fröhlichen Stimmen; sie träumte von einem so einfachen, so schmucklosen Glück, daß sie noch einmal, ohne vor Stolz zu beben, sondern nur in tiefer Rührung, flüsterte: »Ich bin seine Braut!«
Fünftes Kapitel
Mein Gott! Wie düster und trostlos sah es anderthalb Jahre nach Oblomows Namenstag in seiner Wohnung aus, als Stolz zu ihm unerwartet zum Essen kam. Auch Ilja Iljitsch selbst war aufgedunsen, und in seinen Augen hatte sich Langeweile gegraben, die wie eine Krankheit von dort hervorblickte. Er ging eine Weile im Zimmer herum, legte sich hin und schaute auf den Plafond; dann nahm er ein Buch von der Etagere, öffnete es, überflog ein paar Zeilen mit den Augen, gähnte und begann mit den Fingern auf den Tisch zu trommeln. Sachar war noch plumper und unordentlicher geworden; die Ellbogen seines Rockes waren geflickt, er sah so arm und hungrig aus, als ob er wenig zu essen habe, wenig schlafe und für drei arbeite. Oblomows Schlafrock war abgenützt und ging aus den Fugen, so sorgfältig man seine Löcher auch zunähte; er hätte sich längst einen neuen anschaffen sollen. Die Decke auf dem Bett sah auch ganz abgenützt aus und wies hie und da Flicken auf; die Vorhänge an den Fenstern waren längst verblichen und wirkten, trotzdem sie gewaschen waren, wie Fetzen. Sachar brachte ein altes Tischtuch herein, bedeckte damit den halben Tisch auf der Seite, an der Oblomow saß, brachte dann vorsichtig, sich auf die Zunge beißend, das Gedeck und eine Karaffe mit Schnaps herein, legte das Brot hin und ging. Die Tür der Hausfrau öffnete sich, und Agafja Matwejewna kam rasch herein, eine Pfanne mit einer zischenden Eierspeise tragend.
Auch sie hatte sich furchtbar und nicht zu ihrem Vorteil verändert. Sie war sehr abgemagert. Sie hatte keine runden, weißen, weder errötenden noch erbleichenden Wangen mehr; ihre dünnen Augenbrauen glänzten nicht; ihre Augen waren eingefallen. Sie trug ein altes Kattunkleid; ihre Hände waren von der Arbeit, vom Feuer oder von beidem rot und grob geworden. Akulina war nicht mehr im Hause. Anissja hatte in der Küche und im Gemüsegarten zu tun, sie pflegte die Hühner, scheuerte die Fußböden und wusch die Wäsche; sie konnte allein nicht fertig werden, und Agafja Matwejewna mußte, ob sie wollte oder nicht, selbst in der Küche arbeiten. Sie stieß, siebte und rieb jetzt wenig, denn es wurde wenig Kaffee, Zimt und Mandeln verwendet, und sie dachte nicht einmal mehr an ihre Spitzen. Jetzt mußte sie oft Zwiebeln schneiden und Meerrettich und dergleichen Gewürze reiben. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich tiefe Traurigkeit wider. Doch sie seufzte nicht ihretwegen, nicht weil sie keinen Kaffee zum Trinken hatte, sie grämte sich nicht, weil sie keine Gelegenheit hatte, sich zu betätigen, in größerem Umfange zu wirtschaften, Zimt zu stoßen, Vanille in die Soße zu legen oder dicken Rahm zu sieden, sondern weil Ilja Iljitsch schon das zweite Jahr das alles nicht bekam, weil man den Kaffee für ihn nicht pudweise aus dem besten Geschäft holte, sondern für ein paar Kopeken in dem Krämerladen kaufte; weil der Rahm nicht von einer Finnin gebracht wurde, sondern aus demselben Laden geholt werden mußte; weil sie ihm statt eines saftigen Kotelettes eine mit hartem, altem Schinken aus dem Krämerladen zubereitete Eierspeise brachte. Was bedeutete das? Nichts anderes, als daß die aus Oblomowka eintreffenden Gelder, die Stolz regelmäßig schickte, zur Deckung des Schuldscheines, den Oblomow der Hausfrau ausgestellt hatte, verwendet wurden. Die »gesetzliche Sache« des Bruders war über
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