Oblomow
Tarantjew, Alexejew oder Iwan Gerassimowitsch zu ihm zu Mittag kommen. Es erschien ein schmackhaftes, gut serviertes Essen. Sie machte dem Gastgeber keine Schande. Aber wie mußte sie sich aufregen und herumlaufen, wieviel Bitten mußte sie an den Krämer richten, und wieviel schlaflose Nächte und Tränen verursachten ihr diese Sorgen! Wie tief mußte sie sich in die Aufregungen des Lebens versenken und wie gut lernte sie die Tage des Glücks und Unglücks kennen! Doch sie liebte dieses Leben und würde es trotz ihrer Tränen und Sorgen nicht gegen das frühere, stille Dasein eingetauscht haben, das sie geführt hatte, bevor sie Oblomow kannte, als sie mit Würde inmitten von gefüllten, knisternden und zischenden Töpfen, Pfannen und Kasserolen herrschte und Akulina und den Hausbesorger befehligte. Sie fuhr sogar vor Entsetzen zusammen, wenn ihr der Gedanke an den Tod kam, trotzdem der Tod ja mit einem Schlage ihren nie trocknenden Tränen, dem täglichen Herumlaufen und den schlaflosen Nächten ein Ende gemacht hätte.
Ilja Iljitsch frühstückte, hörte zu, wie Mascha Französisch las, saß eine Weile in Agafja Matwejewnas Zimmer und schaute zu, wie sie Wanjas Rock ausbesserte, indem sie ihn zehnmal von einer Seite auf die andere wandte und zu gleicher Zeit immerwährend in der Küche nachsehen lief, wie das Hammelfleisch, das zum Mittagessen bestimmt war, briet und ob es nicht Zeit sei, die Fischsuppe zu kochen.
»Warum bemühen Sie sich so?« sagte Oblomow, »lassen Sie das doch!«
»Wer wird denn für alles sorgen, wenn ich es nicht tue?« sagte sie, »Ich werde nur noch zwei Flicken auflegen, und dann muß ich die Fischsuppe kochen. Was für ein schlimmer Knabe dieser Wanja ist! Ich habe ihm erst vorige Woche den Rock ausgebessert, und er hat ihn wieder zerrissen! Was lachst du?« wandte sie sich an Wanja, der in Hosen und im Hemd und nur mit einem Hosenträger am Tische saß. »Ich werde dir das bis zum Morgen nicht ausbessern, dann kannst du nicht zum Tor hinlaufen. Du hast gewiß gerauft, und die Kinder haben ihn dir zerrissen. – Gestehe nur!«
»Nein, Mamachen, er ist von selbst zerrissen!« sagte Wanja.
»Wisch dir die Nase ab, siehst du denn nicht«, bemerkte sie, ihm das Tuch hinwerfend.
Wanjuscha kicherte, wischte sich aber die Nase nicht ab.
»Warten Sie nur, bis ich das Geld aus dem Gut bekomme, dann lasse ich ihm zwei Anzüge nähen«, sprach Oblomow dazwischen, »einen blauen, und nächstes Jahr, wenn er ins Gymnasium eintritt, eine Uniform.«
»Er kann noch den alten tragen«, sagte Agafja Matwejewna, »und das Geld brauchen wir ja für die Wirtschaft. Ich werde für Sie dann Pökelfleisch und Eingesottenes vorbereiten. Ich muß nachsehen, ob Anissja den Rahm gebracht hat ...«
Sie erhob sich.
»Was haben wir heute?«
»Fischsuppe von Barschen, gebratenes Hammelfleisch und Obstkuchen.«
Oblomow schwieg. Plötzlich rollte ein Wagen heran, man klopfte an die Pforte, der Hund begann zu bellen und an der Kette zu zerren. Oblomow ging in sein Zimmer, da er glaubte, es wäre jemand zur Hausfrau gekommen, der Fleischer, der Gemüsehändler oder sonst jemand. Ein solcher Besuch hatte gewöhnlich die Bitte um Geld, die Absage der Hausfrau, die Drohungen von seiten des Verkäufers, die Bitte, zu warten, von seiten der Hausfrau, dann Schimpfen, Zuschlagen der Tür, der Pforte und wildes Bellen und Zerren des Hundes an der Kette – alles in allem eine unangenehme Szene im Gefolge. Es war eben ein Wagen gekommen – was konnte das bedeuten? Die Fleischer und Gemüsehändler fuhren nicht im Wagen. Plötzlich lief die Hausfrau erschrocken zu ihm herein.
»Zu Ihnen kommt ein Gast«, sagte sie.
»Wer denn? Tarantjew oder Alexejew?«
»Nein, nein, der, welcher am Iljatage bei Ihnen gegessen hat.«
»Stolz?« fragte Oblomow, unruhig um sich blickend, »wohin könnte ich gehen, mein Gott! Was wird er sagen, wenn er sieht ... Sagen Sie, daß ich fort bin!« setzte er eilig hinzu und ging in das Zimmer der Hausfrau.
Anissja kam gerade zur rechten Zeit, um den Gast zu empfangen. Agafja Matwejewna hatte ihr Oblomows Befehl übermittelt. Stolz glaubte ihr, wunderte sich nur darüber, daß Oblomow nicht zu Hause war.
»Nun, so sage, daß ich in zwei Stunden zum Mittagessen komme!« sagte er und ging in den Park, der sich in der Nähe befand.
»Er wird mit uns essen!« teilte Anissja erschrocken mit.
»Er wird mit uns essen!« wiederholte Agafja Matwejewna ängstlich Oblomow.
»Man muß ein anderes
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