Oblomow
schwerer Zunge. »Sie kann Casta diva singen, sie kann aber keinen solchen Schnaps zubereiten! Sie wird auch keine Piroge mit Hühnern und Pilzen backen! So etwas hat es nur in Oblomowka gegeben. Und das Gute hier ist, daß es nicht ein Koch macht; der macht den Teig Gott weiß mit welchen Händen an, während Agafja Matwejewna die Reinlichkeit in Person ist!«
Stolz hörte mit aufmerksam gespitzten Ohren zu.
»Und sie hat solche weiße Hände gehabt«, fuhr Oblomow schon ziemlich benebelt fort, »es wäre keine Sünde, sie zu küssen! Jetzt sind sie aber rauh geworden, weil sie alles selbst macht! Sie stärkt mir selbst die Hemden!« sagte Oblomow gefühlvoll, fast mit Tränen. »Bei Gott, ich hab' es selbst gesehen. Manche Frau sorgt sich nicht so um ihren Mann – bei Gott! Agafja Matwejewna ist ein liebes Frauenzimmer! Ach, Andrej! Übersiedle mit Oljga Sjergejewna hierher, miete dir hier eine Sommerwohnung, das wäre ein Leben! Wir würden im Wald Tee trinken und am Eliasfreitag zu den Pulvermühlen gehen, und eine Fuhre mit einem Imbiß und mit einem Samowar würde uns folgen. Dort würden wir einen Teppich ausbreiten und uns auf das Gras legen. Agafja Matwejewna würde Oljga Sjergejewna das Wirtschaften beibringen, sie würde ihr alles beibringen. Jetzt geht es uns aber nicht besonders. Der Bruder ist ja übersiedelt; wenn man uns aber drei-, viertausend geben könnte, würde ich dir solche Kapaune reichen lassen ...«
»Du bekommst von mir fünf!« sagte Stolz. »Was machst du denn damit?«
»Und die Schuld?« entschlüpfte es plötzlich Oblomow.
Stolz sprang auf.
»Die Schuld?« wiederholte er. »Welche Schuld?«
Und er blickte ihn an wie ein strenger Lehrer ein sich versteckendes Kind anblickt.
Oblomow verstummte plötzlich.
Stolz setzte sich zu ihm aufs Sofa.
»Wem schuldest du?« fragte er.
Oblomow wurde ein wenig nüchterner und kam zur Besinnung.
»Niemand, ich habe gelogen«, sagte er.
»Nein, du lügst jetzt, aber ungeschickt. Was ist mit dir, was hast du, Ilja? Also das hat der Hammelbraten und der saure Wein zu bedeuten? Du hast kein Geld! Wo ist es denn hingekommen?«
»Ich schulde tatsächlich ... ein wenig der Hausfrau für das Essen! ...« sagte Oblomow.
»Für das Hammelfleisch und die Zunge! Ilja, sprich, was geht mit dir vor? Was ist das für eine Geschichte? Der Bruder ist ausgezogen, die Wirtschaft geht schlecht ... Da ist etwas nicht in Ordnung. Wieviel schuldest du?«
»Zehntausend auf einen Schuldbrief ...« flüsterte Oblomow.
Stolz sprang auf und setzte sich wieder.
»Zehntausend? Der Hausfrau? Für das Essen?« wiederholte er entsetzt.
»Ja, wir haben viel gebraucht; ich habe auf sehr großem Fuße gelebt ... Weißt du noch, ich habe Ananas und Pfirsiche gegessen ... darum habe ich Schulden ...« murmelte Oblomow. »Aber lassen wir das!«
Stolz antwortete nicht. Er überlegte sich die Sache. Der Bruder ist ausgezogen, die Wirtschaft geht schlecht – und es ist auch wirklich so. Alles sieht nackt, ärmlich und schmutzig aus! Was für eine Frau ist denn diese Pschenizina? Oblomow lobt sie; sie sorgt sich um ihn; er spricht mit Feuer von ihr ...
Plötzlich wechselte Stolz die Farbe, er glaubte die Wahrheit zu erraten. Es wehte ihn kalt an.
»Ilja?« fragte er. »Was ist dir ... diese Frau? ...«
Aber Oblomow hatte den Kopf auf den Tisch gelegt und schlummerte.
Sie bestiehlt ihn und schleppt ihm alles fort ... Das ist etwas ganz Alltägliches, und er weiß noch immer nichts davon, dachte Stolz.
Er erhob sich und öffnete schnell die Tür zur Hausfrau, so daß diese bei diesem Anblick erschrocken den Löffel, mit dem sie den Kaffee umrührte, fallen ließ.
»Ich möchte mit Ihnen sprechen«, sagte er höflich.
»Bitte in den Salon einzutreten, ich komme gleich«, antwortete sie schüchtern.
Sie band sich ein Tuch um den Hals, folgte ihm in den Salon und setzte sich auf den Rand des Sofas. Sie hatte nicht mehr ihren Schal und bemühte sich, die Hände in das Tuch zu verstecken.
»Ilja Iljitsch hat Ihnen einen Schuldbrief gegeben?« fragte er.
»Nein ...« antwortete sie mit einem stumpfen und erstaunten Blick, »er hat mir gar keinen Brief gegeben.«
»Wieso gar keinen?«
»Ich habe gar keinen Brief gesehen!« sagte sie mit demselben stumpfen Staunen ...
»Einen Schuldbrief!« wiederholte Stolz.
Sie dachte ein wenig nach.
»Sie sollten mit dem Bruder sprechen«, sagte sie, »ich habe gar keinen Brief gesehen.«
Ist sie dumm oder listig? dachte
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