Oblomow
Stolz.
»Er schuldet Ihnen aber?« fragte er.
Sie sah ihn stumpf an, dann kam Ausdruck und sogar Unruhe in ihr Gesicht. Sie erinnerte sich an die versetzten Perlen, an das Silber und den Pelz und glaubte, Stolz deute auf diese Schuld hin; sie konnte nur nicht begreifen, wieso man das erfahren hatte. Sie hatte nicht nur Oblomow, sondern auch Anissja gegenüber, der sie über jede Kopeke Rechenschaft ablegte, kein Wort davon erwähnt.
»Wieviel schuldet er Ihnen?« fragte Stolz unruhig.
»Gar nichts! Keine Kopeke!«
Sie verheimlicht es vor mir, sie schämt sich, dieses Wucherweib, dieses gierige Frauenzimmer! dachte er. Aber ich werde es ihr schon entlocken.
»Und die zehntausend?« fragte er.
»Welche zehntausend?« fragte sie voll Unruhe und Erstaunen.
»Ilja Iljitsch schuldet Ihnen zehntausend nach einem Schuldbrief, ja oder nein?« fragte er.
»Er schuldet mir nichts. Er war während der Fasten dem Fleischer zwölf und einen halben Rubel schuldig, er hat es aber noch vorige Woche bezahlt; der Rahm ist der Milchfrau auch bezahlt worden – er schuldet gar nichts.«
»Haben Sie denn gar kein Dokument, das sich auf Oblomow bezieht?«
Sie blickte ihn stumpf an.
»Sie sollten mit dem Bruder sprechen«, antwortete sie, »er wohnt auf der nächsten Straße, im Haus von Samikalow, es ist ein Weinkeller im Hause.«
»Nein, erlauben Sie, daß ich mit Ihnen spreche!« sagte er entschlossen. »Ilja Iljitsch meint, daß er Ihnen schuldig ist und nicht Ihrem Bruder ...«
»Er schuldet mir nichts«, sagte sie, »und wenn ich das Silber, die Perlen und den Pelz versetzt habe, ist das für mich geschehen. Ich habe Mascha und mir Schuhe und für Wanjuscha Hemden gekauft und habe den Gemüsehändler bezahlt. Für Ilja Iljitsch aber habe ich keine Kopeke ausgegeben.«
Er sah sie an, hörte zu und drang in den Sinn ihrer Worte ein. Er allein schien sich der Lösung von Agafja Matwejewnas Geheimnis zu nähern, und der wegwerfende, fast verächtliche Blick, den er während des Gespräches mit ihr auf sie gerichtet hatte, verwandelte sich jetzt unwillkürlich in einen neugierigen und sogar teilnahmevollen. Im Versetzen der Perlen und des Silbers ahnte er dunkel das Geheimnis ihrer Opfer und konnte nur nicht mit sich einig werden, ob sie diese ganz selbstlos, aus reiner Ergebenheit, oder in der Erwartung einer künftigen Belohnung gebracht hatte. Er wußte nicht, ob er Iljas wegen traurig oder froh sein sollte. Es war jetzt klar, daß er ihr nichts schuldig war, daß diese Schuld irgendein Schurkenstreich ihres Bruders war; dafür eröffnete sich ihm vieles andere ... Was bedeutet dieses Versetzen des Silbers und der Perlen?
»Sie erheben also auf Ilja Iljitsch keinerlei Anspruch?« fragte er.
»Sie sollten mit dem Bruder sprechen«, antwortete sie eintönig, »er muß jetzt zu Hause sein.«
»Sie sagen, daß Ilja Iljitsch Ihnen gar nichts schuldet?«
»Keine Kopeke, das ist bei Gott wahr!« schwor sie, auf das Heiligenbild blickend und sich bekreuzend.
»Werden Sie das vor Zeugen bestätigen?«
»Vor allen! Sogar bei der Kommunion! Und was das Silber und die Perlen betrifft, die habe ich nur für meine eigenen Ausgaben versetzt ...«
»Sehr wohl!« unterbrach sie Stolz. »Morgen komme ich mit zwei Bekannten her, und Sie werden sich nicht weigern, vor ihnen dasselbe zu sagen?«
»Sie sollten lieber mit dem Bruder sprechen«, wiederholte sie, »ich bin nicht anständig gekleidet ... alles in der Küche ist in Unordnung, wenn Fremde es sehen, werden sie es bemängeln.«
»Das macht nichts; und mit Ihrem Bruder werde ich noch morgen sprechen, nachdem Sie das Papier unterschrieben haben ...«
»Ich habe jetzt gar nicht mehr die Übung, zu schreiben.«
»Man braucht dabei nicht viel zu schreiben, im ganzen zwei Zeilen.«
»Nein, befreien Sie mich davon; Manjuscha sollte es lieber schreiben; er schreibt so rein ...«
»Nein, weigern Sie sich nicht«, bestand er, »wenn Sie das Papier nicht unterschreiben, bedeutet es, daß Ilja Iljitsch Ihnen zehntausend schuldet.«
»Nein, er schuldet gar nichts, keine Kopeke«, sagte sie, »bei Gott!«
»Dann müssen Sie das Papier unterschreiben. Also auf Wiedersehen morgen!«
»Sie sollten morgen lieber zum Bruder gehen ...« sagte sie, ihn begleitend, »er wohnt hier an der Ecke, man braucht nur über die Straße zu gehen ...«
»Nein, und ich möchte Sie bitten, dem Bruder bis dahin nichts zu sagen, sonst wird es Ilja Iljitsch sehr unangenehm sein ...«
»Ich werde ihm
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