Oblomow
ihnen jetzt unbekannte Gefühle begleiten würden; sie träumte von Krankheiten, vom schlechten Gang der Geschäfte, vom Verlust des Gatten ... Sie zitterte und ermattete, blickte aber mit mutiger Neugier auf diese neue Lebensweise, betrachtete sie entsetzt und prüfte ihre Kräfte ... Nur die Liebe versagt auch in diesem Traum nicht, sie stand als treue Wache des neuen Lebens da; aber auch sie hatte sich verändert! Sie fühlte nicht ihren heißen Atem, sah keine lichten Strahlen und keine blaue Nacht; nach Jahren würde das alles im Vergleich mit jener fernen Liebe, die das tiefe und unerbittliche Leben in sich aufgenommen hatte, wie ein Kinderspiel erscheinen. Man hörte dort keine Küsse, kein Lachen und keine bebenden, sinnenden Gespräche in der Allee, inmitten von Blumen, beim Fest der Natur und des Lebens ... Alles würde verblassen und verwelken. Jene nie welkende, unvergängliche Liebe spiegelte sich mächtig wie eine Lebenskraft auf ihren Gesichtern wider, sie leuchtete in der Stunde des gemeinsamen Schmerzes in einem schweigend und langsam gewechselten Blick auf und äußerte sich in der endlosen, beiderseitigen Geduld der Folter des Lebens gegenüber, in verhaltenen Tränen und unterdrücktem Schluchzen ... Mit Oljgas nebelhafter Traurigkeit und den in ihr auftauchenden Fragen verwebten sich leise andere, wenn auch ferne, so doch klare, bestimmte und drohende Träume.
Bei den beruhigenden und energischen Worten ihres Mannes und im grenzenlosen Vertrauen ihm gegenüber ruhte Oljga sowohl von ihrer rätselhaften, nicht allen verständlichen Traurigkeit, als auch von den drohenden, prophetischen Träumen der Zukunft aus und schritt mutig vorwärts. Auf den »Nebel« folgte ein heller Morgen mit den Sorgen der Mutter und Hausfrau; dort lockte sie der Blumengarten und das Feld und das Arbeitszimmer des Mannes. Sie spielte aber nicht mehr voll sorglosem Vergnügen mit dem Leben, sondern lebte mit einem verborgenen, kühnen Gedanken, bereitete sich vor und wartete ... Sie wuchs immer höher und höher ... Andrej sah, daß sein früheres Ideal einer Frau und Gattin unerreichbar war, doch er war selbst durch den bloßen Widerschein desselben in Oljga beglückt; er hatte selbst das nie erwartet.
Außerdem trug er noch lange Zeit, fast das ganze Leben, die nicht geringe Sorge, seine Würde als Mann vor den Augen der ehrgeizigen, stolzen Oljga aufrechtzuerhalten; er tat es nicht aus brutaler Eifersucht, sondern um dieses kristallähnliche Leben nicht zu verdüstern; und das hätte leicht geschehen können, wenn ihr Glaube an ihn auch nur ein wenig gewankt hätte.
Viele Frauen verlangen dies alles nicht; sowie sie verheiratet sind, nehmen sie die guten und die bösen Eigenschaften des Mannes demütig hin, fühlen sich in der ihnen zugewiesenen Stellung und Sphäre ohne weiteres befriedigt oder ergeben sich ebenso demütig der ersten, zufälligen Leidenschaft, indem sie es sofort für unmöglich oder nicht für notwendig halten, sich ihr zu widersetzen; das sei so ihr Schicksal, die Frau sei ein schwaches Wesen und könne dem Sturm nicht standhalten usw. Wenn der Gatte durch seinen Verstand, diese unwiderstehliche Macht des Mannes, die Menge sogar überragt, sind diese Frauen auf diesen seinen Vorzug ebenso stolz wie auf irgendeinen kostbaren Schmuck, doch auch das nur dann, wenn dieser Verstand ihren kleinlichen, weiblichen Intrigen gegenüber blind bleibt. Wenn er es aber wagt, die armselige Komödie ihrer nichtigen und manchmal lasterhaften Existenz zu durchschauen, beengt und bedrückt er sie.
Oljga kannte nicht diese Logik der Unterwürfigkeit dem blinden Schicksal gegenüber und begriff die weiblichen kleinen Leidenschaften und Freuden nicht. Sowie sie in dem erwählten Mann einmal gewisse Eigenschaften und Rechte sich gegenüber erkannt hatte, glaubte sie an ihn und liebte ihn folglich auch; sowie sie aber an ihn zu glauben aufhörte, war auch ihre Liebe zu Ende, wie es mit Oblomow geschehen war. Aber damals waren ihre Schritte noch unsicher und ihr Wille schwankend gewesen; sie hatte soeben begonnen, das Leben zu beobachten, darüber nachzudenken, sich der Elemente ihres Geistes und Charakters bewußt zu werden und Material zu sammeln; die Arbeit des Schaffens war noch nicht erwacht und die Wege des Lebens waren noch nicht enträtselt. Doch jetzt glaubte sie nicht blind, sondern bewußt an Andrej, und er verkörperte ihr Ideal der männlichen Vollkommenheit. Sie glaubte immer bewußter an ihn, und es wurde
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