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Oblomow

Oblomow

Titel: Oblomow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iwan Gontscharow
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auch spurlos, ohne irgendwelche Kunde von sich zu senden, verschwinden.
    Oder es erschienen plötzlich Himmelszeichen, feurige Säulen und Kugeln; dort, über dem frischen Grabe, flammt ein Feuer auf, oder im Walde scheint jemand mit einer Laterne herumzuspazieren, furchtbar zu lachen und mit den Augen in der Dunkelheit zu funkeln. Auch mit dem Menschen selbst geschah so viel Unbegreifliches; mancher lebte lange und glücklich, ohne daß ihm etwas geschah, und plötzlich begann er ganz unverständlich zu reden oder mit einer ganz anderen Stimme zu schreien, oder er irrte auch schlafend in der Nacht herum; ein anderer bekam plötzlich Krämpfe und wälzte sich auf dem Boden. Und bevor so etwas geschah, krähte ein Huhn mit der Stimme eines Hahnes, und eine Krähe krächzte über dem Dache. Der schwache Mensch war ganz hilflos, während er sich entsetzt im Leben umschaute, und suchte in seiner Phantasie nach dem Schlüssel zu den Geheimnissen der ihn umgebenden und der eigenen Natur.
    Und vielleicht führte die Schläfrigkeit und beständige Ruhe des trägen Lebens, der Mangel an Bewegung und an wirklichen Ängsten, Abenteuern und Gefahren den Menschen dazu, anstatt der Wirklichkeit eine andere, erdachte Welt zu erschaffen und darin sich seine Phantasie tummeln und ergötzen zu lassen oder nach der Erklärung der einfachen Verkettung der Umstände und der Ursachen der Erscheinung außerhalb der Erscheinung selbst zu suchen. Unsere armen Vorfahren haben wie herumtastend gelebt; sie beflügelten nicht ihren Willen und hemmten ihn auch nicht, und dann wunderten sie sich und entsetzten sich über das Böse und über die Unbequemlichkeit ihres Lebens und wollten alles Unverständliche bei den stummen und unklaren Hieroglyphen der Natur erfragen. Der Tod wurde für sie durch den vor kurzem zuerst mit dem Kopfe und nicht mit den Füßen aus dem Tore hinausgetragenen Toten verursacht; eine Feuersbrunst – weil der Hund drei Nächte unter dem Fenster geheult hatte; und sie richteten ihre ganze Sorge darauf, daß man den Toten mit den Füßen zuerst aus dem Tore hinaustrug, und dabei aßen sie dasselbe und ebensoviel und schliefen wie bisher auf Gras; der heulende Hund wurde geschlagen oder fortgejagt, und die Funken des Kienspans wurden wie bisher in die Ritze des faulenden Fußbodens geworfen. Und der Russe liebt es bis heute, inmitten des ihn umgebenden, strengen, phantasielosen Lebens an die verlockenden Sagen des Altertums zu glauben, und er wird sich von diesem Glauben vielleicht noch lange nicht lossagen.
    Indem der Knabe den Märchen der Kinderfrau von unserem Goldenen Vlies, von dem »Wundervogel« lauschte und sie ihm von den undurchdringlichen Mauern und den Geheimverliesen des Zauberschlosses erzählte, suchte er seinen Mut anzufachen, indem er sich an die Stelle der Helden setzte, und es überlief kalt seinen Rücken, oder er litt an dem Mißgeschicke des Kühnen. Ein Märchen folgte dem andern. Die Kinderfrau erzählte voll Feuer, bilderreich gestaltend und ganz hingerissen; an manchen Stellen wurde sie von Begeisterung erfüllt, weil sie zur Hälfte selbst an die Märchen glaubte. Die Augen der Alten leuchteten; ihr Kopf zitterte vor Erregung; die Stimme erstreckte sich auf sonst ungewohnte Töne. Das Kind schmiegte sich an sie mit Tränen in den Augen, von unerklärlicher Angst erfaßt. Wenn von den um Mitternacht aus den Gräbern steigenden Toten oder von den in der Gefangenschaft des Ungeheuers schmachtenden Opfern oder vom Bären mit dem Holzfuße, der durch die Dörfer und Flecken wandert und seinen abgehauenen Fuß sucht, die Rede war, knisterten die Haare des Kindes vor Entsetzen; die kindliche Phantasie erstarrte bald und flammte bald wieder auf; in ihm spielte sich ein quälender, schmerzlich-süßer Vorgang ab; die Nerven spannten sich wie Saiten. Wenn die Kinderfrau düster die Worte des Bären wiederholte: »Knarre, knarre, Lindenfuß: ich gehe durch die Flecken, ich gehe durch die Dörfer, alle Frauen schlafen, nur eine Frau schläft nicht, sie sitzt auf meinem Felle, kocht mein Fleisch, spinnt mein Haar« usw., und wenn der Bär endlich in die Hütte trat und im Begriffe war, den Dieb, der ihm sein Bein geraubt hatte, zu packen, hielt das Kind es nicht länger aus, es stürzte sich zitternd und quietschend in die Arme der Kinderfrau und lachte dabei laut vor Freude, daß es sich nicht in den Krallen des Tieres, sondern auf der Ofenbank, neben der Kinderfrau, befand. Die Phantasie des Knaben wurde

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