Obsession (German Edition)
grundsätzlich alle für die Größten, die Mächtigsten und vor allem für unbesiegbar. Wenn man also die totale Macht über eine bestimmte Region innehat, was tut man dann? Richtig, man ignoriert erst einmal jeden, der eine potenzielle Gefahr darstellt. In dem Moment aber, in dem man bemerkt, dass der bisher Ignorierte doch gefährlicher ist als angenommen, geht man mit allen Mitteln gegen ihn vor. Fragt sich nur, welchen Status WIR bei den »Kindern der Isis« zurzeit besitzen – denn dass sie uns bemerkt haben, steht sicher außer Frage. Und nein, ich werde gewiss nicht Carlos anrufen und nachfragen.«
Nachdenklich schaue ich auf das Blatt, das vor mir liegt, und hoffe insgeheim, dass sich das Rätsel in meinem Kopf klärt. Doch da tut sich nicht viel, und als ich bereits in meinem Kopf alle Geschehnisse durchgehe, ob ich vielleicht etwas übersehen habe, klingelt es an der Tür.
»Ich geh schon«, murmelt Brix und verlässt die Küche. Natürlich passe ich trotzdem auf, wer da kommt. Ein Mann mit grünem Bundeswehrparka und einem großen Glas steht vor der Tür. Ich sehe dieses Glas und dass Brix stutzt, also beeile ich mich, an die Tür zu kommen. Als ich den Frosch im Glas neben der Leiter sitzen sehe, erstarre ich in meiner Bewegung und stelle mich halb hinter Brix, der gerade »ich weiß davon nichts«, sagt, aber mit einem ganz bestimmten Grinsen, ganz so, als wüsste er doch etwas.
»Hast du den Wetterfrosch bestellt?«, fragt er mich scheinheilig. Zum Glück ist ein Deckel auf dem Glas und das Glas mindestens einen Zentimeter dick, sonst würde ich jetzt vermutlich ins Bad flüchten. Ein kurzer Blick mit meiner Gabe, und ich stelle fest, dass ich eine Retourkutsche fahren werde. So, wie ich das jetzt sehe, hat Brix tatsächlich – einen Wetterfrosch für mich bestellt, und lässt ihn gerade zurückgehen. Ist nicht meine Art, muss ich zugeben, zumal das arme Tier ja nichts dafürkann, aber da ich ganz genau weiß, wie panisch ich auf Frösche reagiere, kommt keine andere Entscheidung für mich infrage.
»Du brauchst keine Angst mehr zu haben«, säuselt Brix in scheinheiligem Ton, während er die Tür wieder schließt. »Der Mann mit dem Frosch ist weg, und er kann dir nichts mehr tun.«
Ich weiß, was ich tue, nämlich so, als hätte ich nichts bemerkt und als sei alles in Ordnung. In mir brodelt es, denn ich lasse mich nicht gerne vorführen, auch wenn es bei Brix nicht darum geht, dass er mir wehtun möchte ... ihm ging es wohl eher darum, mich zu ärgern. Allerdings spielt er mit meinen Ängsten ... Wovor hat denn Brix eigentlich Angst? Vor Carlos, klar. Der kommt aber für meine Retourkutsche nicht infrage. Ansonsten davor, dass ich ihn verlasse – aber das käme für mich natürlich nicht infrage. Also muss ich eine andere Lösung finden.
Brix’ Handy rettet mich davor, meinen Überlegungen noch länger nachzuhängen und meine Rachegedanken zu vertiefen. Es klingelt nämlich, und da es auf dem Küchentisch liegt, an dem ich bis eben gesessen habe, muss Brix hinlaufen und es holen – und ich komme nicht dazu, mich noch mehr über sein süffisantes Grinsen zu ärgern.
Er telefoniert, und als er zurückkommt, lächelt er versonnen. »Ich hab Nora für heute Abend eingeladen. Sie wollte mir was erzählen, und ich dachte, das wäre vielleicht eine passende Gelegenheit, euch bekannt zu machen.«
Ich nicke, dann haben Fabrice und Brix wenigstens was zu tun, denn ich werde mich am Abend auf jeden Fall noch einmal in die Szene begeben, um zu ermitteln – jetzt, wo es gerade begonnen hat, Spaß zu machen. Und wenn’s etwas länger dauert, soll Brix meinetwegen mit Fabrice poppen – ich werde sicher genügend Abwechselung haben, wenn ich es drauf anlege.
40
Brix
Shahin ist am Schlafen, Fabrice spielt Playstation, und ich blättere im Musikmagazin herum. Schließlich will ich auf dem Laufenden bleiben, auch wenn ich nicht mehr in der Branche arbeite. Und ich möchte gerne den Artikel über die »Faceless Frogs« lesen, der hier auf dem Titelblatt so großspurig angekündigt wird. Ob dessen Leader immer noch so zickig ist wie früher? Na ja, ich würde schon ganz gern mal mit denen ein Event bei uns machen, aber vermutlich interessiert die das Gay Business nicht.
Ich zücke mein Handy und stelle fest, dass ich immer noch die Handynummer des Leaders gespeichert habe – wofür das wohl gut ist? Ich nehme mir vor, den die nächsten Tage mal anzurufen und abzuchecken, was er von
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