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Obsession

Titel: Obsession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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fragte er.
    «Oh, bitte nicht.»
    «Nein, ich würde es wirklich gerne wissen.» Das stimmte. |320| Er wollte, dass sie sich öffnete, er war aber auch aufrichtig neugierig.
    Eine Weile machte sie noch ein verärgertes Gesicht, dann zuckte sie mit den Achseln. «Nachdem ich aus Portsmouth weggegangen
     war, wohnte ich in der Nähe von Aldershot, nicht weit von dort, wo er stationiert war. Ich bin dort mit einer Menge Soldaten
     herumgezogen. Sie wissen schon.»
    Ben glaubte zu wissen, was sie meinte.
    «Ich arbeitete in einem Pub, und eines Abends sind mir zwei Einheimische auf den Wecker gegangen, weil ich nicht mit ihnen
     mitgehen wollte. Ich sagte ihnen, dass sie sich verpissen sollen, aber sie hatten schon eine Menge getrunken und wurden ruppig.
     In dem Moment kam John vorbei und hat ihnen gesagt, sie sollen damit aufhören. Ich kannte ihn nicht, aber man konnte sehen,
     dass er ein Soldat war. Das lag nicht nur am Haarschnitt. Er hatte so etwas an sich. Er stand einfach da und sagte kein Wort,
     während die anderen beiden eine große Klappe hatten. Das war kurz nachdem er angeschossen und kurz bevor er entlassen wurde.
     Er hinkte damals noch ziemlich schlimm. Trotzdem hätten die beiden wissen müssen, dass man sich besser nicht mit ihm anlegt.
     Er war ganz bei sich, und sie waren besoffen. Einer wollte auf ihn losgehen.»
    Sie wurde still, während sie sich erinnerte, und musste dabei lächeln. «Danach haben sie für eine Weile keine große Klappe
     mehr gehabt.» Das Lächeln verschwand, als sie wieder in die Gegenwart zurückfand. «Die beiden waren vernünftiger als Sie.»
    Ben ging zum Fenster. Dadurch war er ihr näher. Er spürte, dass sie ihn argwöhnisch beobachtete, als er hinaus in den Garten
     schaute. «Was macht er da draußen?»
    «Er ist nicht da, er ist bei der Arbeit.»
    |321| «Sie wissen, was ich meine.»
    «Nein, weiß ich nicht.»
    Sie klang wenig überzeugend. Er sah, wie sie kurz verstohlen durchs Fenster in den Garten schaute. Ihr Mund zog sich auf einer
     Seite zusammen, als sie auf der Innenseite ihrer Wange kaute. Ben fühlte sich seltsam wohl mit ihr.
    «Baut er irgendwas?», fragte er.
    «Warum fragen Sie ihn nicht selbst?»
    «Weil ich meinen nächsten Geburtstag erleben will.»
    Das Lächeln kehrte zurück, aber es war kurzlebig. Er wartete. Sie drückte ihre Zigarette aus. «Er sucht nach dem System.»
    «Er sucht was?»
    «Das Scheißsystem.» Sie sprach es theatralisch aus, aber ohne Humor. «Er glaubt, dass alles ein System hat. Dass es einen
     Grund für alles gibt, was passiert, nur dass wir ihn nicht sehen können. Er meint, dass er überall versteckt ist und dass
     man nur zu wissen braucht, wo man suchen muss.»
    Sie deutete mit einer Handbewegung hinaus. «Deswegen haben wir den ganzen Schrott da draußen. Denn wenn er ihn gründlich genug
     durchsucht, erkennt er darin vielleicht sein System. Er glaubt, dass man es leichter in zertrümmerten Sachen finden kann.
     Da ist es näher an der Oberfläche oder so. Er hat so ein Gerät, mit dem er den Polizeifunk abhören kann. Wenn irgendwo ein
     Unfall ist, ist er immer gleich vor Ort und schleppt die Wracks ab. Je schlimmer der Unfall, desto besser. Vor einer Weile
     gab es auf der Autobahn eine Massenkarambolage, da musste er sich vom Schrottplatz extra einen Lkw leihen, um seine ganzen
     verfluchten Souvenirs nach Hause zu bringen.»
    Ben dachte daran, wie Cole die Metallteile im Garten sortierte und jede neue Anordnung genau studierte. Dann erinnerte |322| er sich, wie er das erste Mal hergekommen war, um Jacob abzuholen. Cole hatte damals gesagt, Ben sei kein Teil des «Systems»
     mehr.
    Er wollte lieber nicht darüber nachdenken, was das bedeuten sollte.
    «Was erwartet er darin zu erkennen?», fragte er.
    «Was weiß ich. Irgendeine Erklärung dafür, warum passiert, was passiert. Warum sein Sohn entführt wurde, warum seine Frau
     vor einen Bus gelaufen ist, warum er in Nordirland verwundet wurde und seine Kameraden getötet wurden. Vielleicht sogar, warum
     er in einem Waisenhaus aufgewachsen ist. Er glaubt, es muss für alles einen Grund geben. Und er glaubt, wenn er das System
     erkannt hat, kennt er auch den Grund für alles.»
    Sie starrte durch das regenverschmierte Fenster auf die verbeulten Metallteile, als hoffte auch sie, dort eine Erklärung zu
     finden.
    «War er schon so, als Sie ihn kennengelernt haben?»
    Sandra schüttelte den Kopf, ohne sich umzuschauen. «Er war anders als die meisten anderen

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