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Obsession

Titel: Obsession Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Soldaten, die ich kennengelernt
     hatte, aber das war alles.» Ihr Mund zuckte. «Zum Beispiel versuchte er mir nicht sofort an die Wäsche zu gehen. Das war eine
     Sache, die ich an ihm mochte. Und er war ein stiller Typ. Nicht schüchtern, aber still. Die meisten von denen haben dir sofort
     ihre Lebensgeschichte erzählt, er aber wollte lieber meine hören. Ich habe ihm nicht alles erzählt, auf jeden Fall nicht gleich,
     und erst als ich ihm erzählt habe, was mit Kirstie passiert ist, mit meinem Mädchen, da hat er darüber gesprochen, was ihm
     passiert ist.»
    Sie schniefte. Ben war sich nicht sicher, ob sie kurz vor dem Weinen war oder ob es an der trockenen Wärme in der Küche lag.
     Seine Nase kitzelte jedenfalls deswegen.
    |323| «Nachdem er die Sache mit Kirstie gehört hatte, sagte er eine Ewigkeit kein Wort mehr. Ich dachte, ich hätte ihn abgestoßen
     und dass er mich genauso dafür verantwortlich machte wie alle anderen. Aber dann erzählte er mir, dass sein Sohn aus dem Krankenhaus
     verschwunden ist und seine Frau sich umgebracht hat. Er meinte, dass Leute wie wir, die ihr Leben versaut haben, deswegen
     beschädigt sind. Genauso hat er es gesagt: ‹beschädigt›. So aufgeregt wie damals habe ich ihn nie wieder erlebt. Er meinte,
     wir wären füreinander bestimmt, da wir beide unsere Kinder und alles verloren hatten. Damals hat er gesagt, es wäre ein Teil
     des Systems, aber genau kann ich mich nicht erinnern. Ich dachte nur, er ist romantisch. Leicht bescheuert, aber romantisch.»
    Sie lachte kurz und bitter auf. «Dabei war ich für ihn auch nur ein beschissenes Schrottteil.»
    Am liebsten hätte er sie in den Arm genommen, doch er behielt seine Hände in den Taschen. «War er damals auch schon so davon
     besessen?»
    «Keine Ahnung. Ich glaube nicht. Warten Sie mal, ich zeige Ihnen etwas.»
    Sie ging aus der Küche. Er hörte sie den Flur hinunter und ins Wohnzimmer gehen. Es klang so, als würde sie eine Schublade
     aufziehen. Kurz darauf kam sie mit einem großen Fotoalbum zurück. Sie legte es neben ihn auf die Arbeitsplatte. Sie roch nach
     Parfüm und Zigarettenrauch und leicht nach Achselschweiß.
    Er nahm die Hände aus den Taschen.
    «Das ist Johns Album», sagte sie, schlug es auf und blätterte schnell durch die ersten Seiten. Ben sah Bilder eines jüngeren
     Cole, der auf einem Motorrad saß, in einer grünen Uniform dastand und lächelnd einen Arm um eine schwangere jüngere Frau gelegt
     hatte.
    |324| Er erkannte Jeanette Cole, Jacobs Mutter, aber Sandra hatte schon weitergeblättert.
    «Hier», sagte sie. «Die hat er gemacht, als er am Golf war. Während des Krieges.»
    Sie trat ein kleines Stück zur Seite, damit er die Bilder sehen konnte. Er spürte die Wärme ihrer Hüfte, die beinahe seine
     berührte, als er näher kam. Es waren vier Fotos, zwei auf jeder Seite. Auf einem war eine brennende Ölquelle zu sehen. Die
     anderen zeigten Trümmerlandschaften in der Wüste. Ein Panzer, dessen rechte Kette abgerissen war. Über dem verrußten Geschützturm
     lag eine verkohlte Leiche. Das Wrack eines Hubschraubers, dessen Rotorblätter schlaff wie verwelktes Laub herunterhingen.
    «Die hat er gemacht, noch bevor seine Frau schwanger war», sagte Sandra. «Bevor bei ihm alles den Bach runterging. Ich glaube
     nicht, dass er damals schon von Wracks besessen war, die Bilder waren einfach nur Souvenirs, wissen Sie? Erst nach unserer
     Hochzeit hat er gezielt nach Schrottteilen gesucht und sie hier gelagert.»
    Diese Art von Souvenirs hätte Ben nicht mit nach Hause gebracht. Vielleicht war Coles Obsession damals noch nicht voll ausgebildet,
     die Anlage dafür war auf jeden Fall bereits vorhanden. Die Bilder auf den nächsten Seiten zeugten von der gleichen morbiden
     Faszination. Die meisten waren nicht in der offenen Wüste, sondern an einer Straße aufgenommen worden, die voller ausgebrannter
     Militär- und Zivilfahrzeuge war. Sie waren umgestürzt, die Reifen waren platt oder geschmolzen und die Karosserien wie Papier
     zerknittert. Auf manchen Fotos erstreckte sich die Straße bis zum Horizont, und außer den zahllosen Wracks war weit und breit
     nichts zu sehen. Die Leichen, die dazwischen lagen, schienen keine Bedeutung zu haben.
    |325| Ben schaute sich den Rest des Albums an. Am Anfang gab es auch normale Schnappschüsse von grinsenden britischen Soldaten vor
     einem orientalischen Laden und vor einem Zelt im Sand, aber mit der Zeit hatte Cole offenbar nur noch Trümmer

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