Obsession
fotografiert.
Statt der Wüste zeigten die Fotos dann eine kältere, vertrautere Landschaft. Auf einer Straße lag ein umgekippter Truppentransporter.
Dahinter sah man graue Wolken, grüne Hügel und Büsche. Der zertrümmerte Wagen lag halb in einem Bombenkrater.
«Das ist in Nordirland», sagte Sandra. Er konnte ihren Atem an seinem Ohr spüren. Er schlug die Seite um. Die Motive ähnelten
sich, doch jetzt schien bei den Fotos mehr auf die Belichtung und die Perspektive geachtet worden zu sein. Während die früheren
Bilder nur Schnappschüsse und vor allem durch ihren Inhalt dramatisch gewesen waren, wirkten diese selbstbewusster und durchdachter.
Auf einem zeichneten sich die Trümmer eines Fahrzeugs vor einem Sonnenauf- oder -untergang ab. Die Sonne wurde von manchen Teilen reflektiert, während sie den Rest in ein tiefes Schwarz tauchte. Das Foto war körnig
und schlecht entwickelt, aber trotzdem wirkungsvoll.
«War dies bei seinem letzten Einsatz drüben?», fragte Ben. «Nachdem Jacob verschwunden und seine Frau gestorben war?»
«Ja, ich glaube.» Sandra klang eher misstrauisch als überrascht. «Warum?»
«Nur so.» Er sagte sich, dass er zu viel in ein paar Fotos hineininterpretierte. Aber er konnte sich des Gedankens nicht erwehren,
dass die ersten lediglich von einer morbiden Neugier gefärbt waren, während Cole bei den letzten bereits begonnen hatte, etwas
zu suchen.
|326| Er blätterte weiter. Es gab nur noch ein Foto. Es war schwarz-weiß und aus einer Zeitung ausgeschnitten und zeigte zwei Land
Rover der Army. Der erste lag auf dem Dach, bei dem zweiten, der dahinter stand, waren die Türen geöffnet und die Windschutzscheibe
zerschmettert. In der Karosserie klafften dunkle Löcher, die wie Einschüsse aussahen.
«Das war der Hinterhalt, bei dem John angeschossen wurde», erzählte Sandra ihm. «Eigentlich sollte er in dem ersten Wagen
sitzen, der auf dem Dach liegt, weil er der Corporal war. Aber bei dem hat das Funkgerät nicht funktioniert, deshalb ist er
mit dem anderen gefahren. Ungefähr eine Meile nachdem er die Wagen gewechselt hat, ist der erste über eine Landmine gefahren.
Alle Insassen wurden getötet. Dann haben die Schweine mit einem Maschinengewehr auf sie geschossen.»
Ben klappte das Album zu.
«Von mir waren nicht viele Fotos drin, was?», sagte sie. Aus ihrer Verbitterung war Verletzung geworden.
«Wann hat er damit begonnen, die Schrottteile mit nach Hause zu bringen?», fragte er, um das Thema zu wechseln.
«Wir waren kaum hier eingezogen.» Sie rückte von ihm weg. Er war sich nicht sicher, ob er erleichtert war oder nicht. «Er
hatte sich nach einem Job umgesehen. Ich dachte, er würde etwas in einer Werkstatt finden oder so. Wussten Sie, dass er eine
Ausbildung als Schlosser hat? Er kann alles reparieren, was mit Maschinen und so zu tun hat, da hat er echt was drauf. Deswegen
ist er bei der Army auch zu den Pionieren gegangen. Aber dann kam er eines Tages nach Hause und sagte, er hätte einen Job
auf dem Schrottplatz. Mir war es egal, ich dachte, es wäre nur für den Übergang. Ich habe mir nicht mal was dabei gedacht,
als er plötzlich Teile mit nach Hause gebracht hat. Am Anfang dachte ich, er will sie |327| zurechtmachen und verkaufen, was weiß ich. Dann fing er an, von seinem System zu reden.»
Sie starrte Ben an, als wäre es seine Schuld. «Es war vorher schon schlimm genug, aber als er herausgefunden hat, dass Steven»
–
Jacob
, dachte er – «noch am Leben ist, hat er plötzlich doppelt so viel angeschleppt. Ich habe ihm gesagt, dass die Leute vom Jugendamt
einen Anfall kriegen, wenn sie das Zeug sehen, aber er hat nicht hingehört. Und sie sind ja auch nie hinten in den Garten
gegangen. Sie haben sich ein bisschen im Haus umgeschaut, das war’s. Als sie in die Küche gekommen sind, habe ich einfach
die Vorhänge zugezogen. Vollidioten.»
Sie hatte es ohne Emotion gesagt. Ihr enges Kleid schmiegte sich an ihre Oberschenkel, als sie sich gegen die Tischkante lehnte.
«Jetzt hat John für nichts anderes mehr Zeit. Er könnte in jeder Werkstatt einen Job kriegen und gutes Geld verdienen, aber
er will nicht. Und er muss auch noch für alles zahlen, was er mit nach Hause bringt. Das fette Arschloch, für das er arbeitet,
zieht es ihm vom Gehalt ab, als hätte er nicht genug von dem Kram. John hört mir nicht mehr zu. Er spricht kaum noch mit mir.
Er kümmert sich nur noch um seinen verdammten Schrott. Und
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