Occupy Economics
steckt hinter Do-it-yourself eine weitere Motivation beziehungsweise Triebkraft. Sie ist verbunden mit dem umstrittenen Stichwort »homo oeconomicus«: Die gängigen Wirtschaftstheorien unterstellen dem Menschen bei der Entscheidungsfindung den homo oeconomicus. Der Terminus technicus dazu lautet Nutzenmaximierung. Dem homo oeconomicus wird rationales Verhalten unterstellt, in der Realität entscheidet sich der Mensch jedoch häufig jenseits aller Vernunft. Wenn man sich den Bau eines teuren Einfamilienhauses betrachtet, ist es mit der finanziellen Rechenbarkeit und Vernunft einer rationalen Entscheidung auch nicht weit her. Nicht selten wäre es für manch einen billiger, seine Fahrten mit dem Taxi zu unternehmen, anstatt sich für die paar Kilometer im Jahr ein großes Auto in die Garage zu stellen. Hier entscheidet nicht der homo oeconomicus, sondern der homo liberis. Hier spielen die Entscheidungsfreiheit, die jederzeitige Verfügbarkeit, das positive Gefühl der Jederzeitigkeit und die Gewissheit, nicht warten zu müssen, eine große beziehungsweise eine größere Rolle. Es gibt also neben dem homo oeconomicus einen homo liberis, aber auch einen homo securis (den Sicherheitsuchenden). Aber damit ist die Aufzählung nicht zu Ende, denn es gibt den homo ludens (den Spieler), den homo illusorus (den Eitlen) oder den homo frivolus (den Lüstling). Und sicherlich gibt es noch mehr Eigenschaften, die in uns stecken und die sowohl Kaufentscheidungen als auch Verhaltensentscheidungen beeinflussen. Die Verhaltensökonomik hat auch noch Herdenverhalten und Gruppendynamik als Phänomene ausgemacht. Zwei der wichtigsten Entscheidungstypen sind bisher nirgendwo aufgetaucht, es sind der homo opulentus (der Reiche) und der homo poverus (der Arme), wobei bei Letzterem das rationale Verhalten stärker ausgeprägt ist als bei Ersterem. Der Arme muss rechnen, ist immer unter Druck, der Reiche schwelgt im Luxus, indem er sich das Rechnen überwiegend schenkt, vor allem, wenn, es um seine Freiheit geht.
Egal ob es wegen der Kostenersparnis oder wegen der Freiheit geschieht, es ist ohne Weiteres erkennbar, dass die Do-it-yourself-Bewegung dem Wachstum des Bruttosozialprodukts entgegenarbeitet. Bei gleichbleibendem Wohlstand könnte es auch sinken.
Viele Menschen spüren oder erkennen allmählich auch, dass das System »Immer mehr Wachstum« dabei ist, sich zu Tode zu laufen, dass dieses System nur deshalb weiterläuft, weil wir in fremde Märkte expandieren und wir uns von dort die Wachstumsimpulse holen. Aber wie lange noch? Ewig kann unser Exportwachstum bei Edel-Automobilen und Edel-Maschinen nicht anhalten. Natürlich steigert der Export hochwertiger Maschinen den Wohlstand in Drittländern. Deshalb wäre es Unsinn, das offene System insgesamt aufzuhalten oder zu beenden, aber erforderlich ist es, die zwanghafte Wachstumsspirale im Inland zu beenden und damit auch die Abhängigkeit von den Exporten zu verringern. Diese Aufgabe stellt sich der Wirtschaftswissenschaft. Sie lautet explizit: Wie stelle ich im Wirtschaftssystem ein inneres Gleichgewicht her, das uns vom Wachstumszwang befreit und dennoch auf Dauer (also nachhaltig) zu einer halbwegs gerechten Einkommensverteilung führt?
Als Ergebnis kann man dennoch feststellen: Eine arbeitsteilige Wirtschaft gibt es auch ohne Markt, nämlich die soeben beschriebene Eigenwirtschaft, die durch die Initiative des Einzelnen im Wettbewerb zur Fremdwirtschaft steht, aber es gibt keinen Markt ohne Arbeitsteilung. Der Markt beherbergt die Schlüsselfunktion der arbeitsteiligen Fremdwirtschaft, ist Arbeitsteilung mit Fremden.
Eine Betrachtung der längerfristigen Entwicklung des Phänomens Arbeitsteilung lässt eine weitere Schlussfolgerung zu: Während der Mensch ursprünglich in eigenwirtschaftlicher Arbeitsteilung sich innerhalb der Bauernhöfe selbst versorgt hat, haben die Transportwege und -möglichkeiten der Neuzeit vermehrt zu einer fremdwirtschaftlichen Arbeitsteilung geführt, insbesondere zur Spezialisierung bei der Herstellung transportabler Güter, beispielsweise bei Textilien. Mit zunehmendem Wohlstand und der Versorgung langlebiger Wirtschaftsgüter kehrt sich der Trend um: Do-it-yourself heißt »Mach es wieder selbst«. Es ist nicht mehr der Lokomotivführer, der die Massen über die Distanzen bewegt, sondern der Autofahrer selbst. Nur wo es nicht anders geht – beim Fliegen – bedient man sich eines Kapitäns. Es ist nicht mehr das Hausmädchen, das die niederen
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