Occupy Economics
Arbeiten macht, sondern der Staubsauger, die Waschmaschine, die Spülmaschine. Die niederen Arbeiten fallen zunehmend weg, weil der Einzelne sein reales Sozialprodukt vergrößern kann: Durch die Ersparnis von Löhnen oder anderen Kosten für Dienste hat er Geld übrig, das er anderweitig verwenden kann. Der homo oeconomicus – vornehmlich eine Erscheinungsform derjenigen, die weniger Geld zur Verfügung haben und sich weniger Marotten leisten können – schlägt unbarmherzig zu. Sein erhöhtes eigenes Einkommen in Verbindung mit dem erhöhten Einkommen anderer sorgt dafür, dass er gedrängt ist, den Prozess der Arbeitsteilung wieder rückgängig zu machen und dem anderen sozusagen den Job wegzunehmen.
3.5 Kapital versus Markt
Man könnte diese Gesetzlichkeit auch so interpretieren: Der Mensch scheut die Öffentlichkeit und hat die Tendenz, sich ins Private zurückzuziehen. Wer dadurch benachteiligt wird, ist klar: Der Kaufmann, das heißt, am Ende gewinnt das Private, das Kapital die Oberhand, der Markt verliert. Der Wohlstand erzeugt seinen Verfall selbst! Als Ausweg aus der Misere haben Politik und Wissenschaft einen höheren Bildungsstand ersonnen. Ein echter Ausweg kann das erkennbar nicht sein. Aber es ist auch nicht so, wie Karl Marx das erkannt haben wollte. Das Kapital gewinnt, aber es ist nicht Kapital in den Händen weniger, sondern es ist Kapital in den Händen vieler. Sie ziehen aus dem Kapital den direkten Nutzen, ohne jemanden zu beteiligen. Es wird immer weniger Nachfrage an den Markt gestellt. Man kann mit einem erhöhten Bildungsniveau die Sache etwas kompensieren – aber nicht aufhalten. Der Druck auf dem Markt wächst, aber die Nachfrage geht zurück, weil die Privatsphäre vieler Angebote auf den Märkten nicht mehr bedarf. Die Leute haben alles! Sichtbares Zeichen ist der Wettbewerbsdruck unter den Berufseinsteigern, die sich billig anbieten müssen, geradezu erniedrigen müssen, um bestens ausgebildet schlecht bezahlte Jobs zu bekommen.
Der Protest spiegelt sich bei den Piraten wider, die die kreative Massenproduktion goutieren wollen, ohne sie zu bezahlen (pirate use). Dahinter steckt keine Bösartigkeit, keine Ignoranz, sondern die Unfähigkeit der Gesellschaft, die Generationengerechtigkeit herzustellen. Ein heute Dreißigjähriger hat wesentlich geringere Chancen, sich aus eigener Kraft ein eigenes Haus zu erarbeiten, als das seine Vätergeneration konnte. Ist ja auch einfach zu erklären. Eine Generation, die nach einem Krieg Aufbauarbeit leistet, um einen Grundbedarf an Wohnraum für eine Bevölkerung zu schaffen, braucht sich um Nachfrage nicht zu kümmern. Selbst die nächste Generation, bei der neue Geschäftsfelder über die Grundversorgung hinausgingen, hatte es noch vergleichsweise leicht. Nach dem Haus brauchte jeder ein Auto, einen Sommerurlaub, eine schöne Möblierung, und man entwickelte in der Mode und beim Essen einen differenzierten Geschmack, der über den Tweedmantel und den Sauerbraten hinausging. Italienische Mode war angesagt und französische Küche. Heute gibt es alles. Wohlstand für alle ist möglich, aber nicht gegeben. Eine Einkommensschere hat sich geöffnet, weil der Rückgang der Nachfrage im Zuge der Öffnung der Grenzen (Globalisierung) mit einem neuen, billigeren Überangebot zusammenfällt. Zu Preisen von vier bis acht Euro, inklusive 19 Prozent Mehrwertsteuer, für modische Wäscheteile kann sich in Deutschland niemand mehr wirtschaftlich erfolgreich an die Nähmaschine setzen. Aber diese Teile werden angeboten und verkauft. Sie kommen über Luft- und Wasserwege aus Billiglohnländern und werden von Turnschuh-Unternehmern in weißen Transportern an die Haushalte ausgeliefert. Nichts wächst in Deutschland so stark wie die Logistik, die Verteilung von Gütern, die im Rahmen der Arbeitsteilung weltweit produziert werden. Auf der Strecke bleiben hiesige Hersteller und Regionen, die nicht das Glück haben, einen der großen Premium-Automobilproduzenten oder Maschinenbauer (hidden champions) oder deren Zulieferer zufällig in ihrer Region beheimatet zu haben. Dann werden ganze Regionen zu Opfern der globalen Arbeitsteilung und ihrer Effizienzgewinne.
Natürlich haben die Piraten keinesfalls recht, wenn sie das Urheberrecht infrage stellen, weil sie dadurch nur noch alles schlimmer machen. Dann verdienen auch viele Kreative gar nichts mehr. Wenn sie sich mit der jetzigen Strategie durchsetzten, würde alles noch viel schlimmer. Aber der, der den
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