Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Occupy Economics

Occupy Economics

Titel: Occupy Economics Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Florian Josef Hoffman
Vom Netzwerk:
identisch sind. Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind am Ende alle Verbraucher, geben Geld aus, das sie vorher eingenommen haben, das aus der Wertschöpfung entstanden ist. Das heißt, der Druck des Verbrauchers auf die Marge muss manchmal gebremst werden, muss sich in Grenzen halten, sonst schadet er sich nur selbst, denn dann hat der Verbraucher zu wenig Einkommen, um normal einkaufen zu gehen.
    Verbraucherschutz ist da richtig, wo der Verbraucher auf dem öffentlichen Markt getäuscht wird, aber nicht über den Preis, sondern beispielsweise über den Verpackungsinhalt. Deshalb sind – ein außerordentlich gewichtiges Beispiel – normierte Verpackungen richtig (»ein halbes Pfund Butter«). Die Liberalisierung, die derzeit von Brüssel aus betrieben wird, ist deshalb extrem verbraucherschädlich.
    Und schließlich gibt es noch die anderen. Die anderen sind die, die durch direkten Fleiß in den Haushalten, also ohne Bezahlung, ohne Marktberührung, ohne Arbeitsteilung Wohlstand erzeugen. Ich meine jetzt die, die ihre Tomaten im Schrebergarten selbst ziehen oder ihre eigenen Hühner halten. Dann gibt es noch den schlummernden Wohlstand in Form natürlicher Ressourcen, auch Bodenschätze genannt, und die technologischen Wohlstandserzeuger, die Erfinder, wobei man sehen muss, dass derlei Kreativität auch bei Kaufleuten eine Rolle spielt. Da spielt »der permanente Suchprozess« eine Rolle, wie das von Hayek genannt hat.
    Aber die Entwicklung ist ja auch noch nicht zu Ende. Denn an dieser Stelle kommt die historische Entwicklung ins Spiel, deren Ursachen ich weiter oben in »Kapital versus Markt« beschrieben habe. Es ist die nächste Stufe der Entwicklung nach der Industrialisierung.
    4.4 Auf dem Weg aus der Dienstleistungsgesellschaft
    Im allgemeinen Bewusstsein und in der Wissenschaft verankert ist eine Theorie beziehungsweise eine Vorstellung, dass die wirtschaftliche Entwicklung von der Agrargesellschaft ausgeht und sich über die Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft hin entwickelt. Die allgemeinen Vorstellungen wurden populär aufgrund eines Buches des Franzosen Jean Fourastié 19 . Sie finden sich aber auch im Dreiphasenmodell der britischen Wissenschaftler Allan Fischer und Colin Clark wieder. Während man mit den ersten zwei Phasen durchaus übereinstimmen kann, scheiden sich die Geister an der dritten Phase, der Phase der Dienstleistungsgesellschaft. Den Kritikern kommt es zu Recht eigenartig vor, dass hier der Liftboy, die Putzfrau, der Universitätsprofessor und das Transportunternehmen unter einem Begriff, Dienstleistung, vereint werden. Das lässt sich klären:
    Nimmt man die im erwähnten Kapitel »Kapital versus Markt« entwickelten Vorstellungen auf, dann lässt sich daraus eine neue Theorie entwickeln, eine, die besagt, dass die ursprüngliche Gesellschaft von Selbstversorgung geprägt war. Vor allem aus den mittelalterlichen Städten heraus breitete sich sodann im Zuge der Industrialisierung die arbeitsteilige Wirtschaft aus, getragen vom Ausbau der Verkehrswege, die die überregionale Arbeitsteilung ermöglichten, aber auch getragen von der Ansammlung von technologischem Potenzial (Maschinen und Anlagen), also von Realkapital. Der Kapitalismus feierte fröhliche Urständ, das Bürgertum wurde als besitzende Klasse wohlhabend, die Arbeitskraft wurde zur Handelsware und verlor ob des Überflusses an Arbeitern ihren Marktwert. Dieser Überfluss wurde dadurch gesteigert, dass die Industrialisierung Effizienzpotenziale freilegte, die die Lohnempfänger vielfach hinauskatapultierten.
    Allerdings gab es eine versöhnliche Gegenentwicklung: Mit dem Verfall der Löhne ging vielfach auch ein Verfall der Preise einher. Industrielle Billigproduktion und Billigimporte (»Colonial-Waren«) erhöhten das preisgünstige Warenangebot enorm und schufen allgemeinen Wohlstand, von dem nur Teile der Arbeiterschaft nicht profitierten. Dem Reichtum der Bourgeoisie des 19. Jahrhunderts folgte im 20. Jahrhundert ein breiter privater Wohlstand, ausgelöst durch die Verteilungswirkung der Programme der Solidarität in der Sozialen Marktwirtschaft (wie im ersten Kapitel beschrieben), kombiniert mit wirtschaftlichen Freiräumen, die vor allem von liberalem Gedankengut getragen waren.
    In diesem Prozess befinden wir uns heute (allerdings gestört durch die Europäisierung und Globalisierung). Wer einen Fernsehapparat hat, braucht kein Theater, wer ein Auto hat, braucht keine Eisenbahn, wer eine Tiefkühltruhe hat,

Weitere Kostenlose Bücher