Occupy Economics
finden. Das ist zwar im ersten Moment sicherlich nicht falsch gedacht, aber am Ende doch, wenn das Prinzip offen liegt, das dem Wirtschaften zugrunde liegt. Prinzipielle Überlegungen müssen von der Ausgangssituation ausgehen, wie sie hier auch schon einmal in anderem Zusammenhang ausgeführt wurden. Ergo: Die Ausgangssituation ist der selbstversorgende Bauernhof. Natürlich kann man jetzt sagen, die Zeit ist längst vorbei und die Verhältnisse haben sich geändert, aber es ist wieder einmal so, dass man die Extrempositionen gegenüberstellen muss, um die Prinzipien zu erkennen. Deshalb weiter: Vor etwa 200 Jahren lebten noch 95 Prozent der Bevölkerung auf dem Lande. Die agrarische Gesellschaft bestand in erster Linie aus Selbstversorgern, die ihren Zehnten oder mehr an den Lehnsherren abliefern mussten, die teilweise auch noch Leibeigene waren, in manchen deutschen Ländern bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Was nun macht den Wohlstand einer solchen Betriebseinheit Bauernhof aus? Doch wohl das, was sie an Viehbestand hat, an Ackerflächen, die sie bebaut, an Produkten, die sie für sich produziert, über Winter auf Lager legt oder was sie an Leistungen in Gebäude und Stallungen investiert. Auch hier taucht schon wieder das Phänomen auf, dass sich der Wohlstand nicht in Geld messen lässt. Bei dem beschriebenen Selbstversorger konnte man von Wohlstand vielleicht noch gar nicht reden. Vielleicht waren damals die Zustände im 8. Jahrhundert nach Christus auf dem Lande noch annähernd so, wie sie im historischen Roman Die Päpstin von Donna Woolfolk Cross so eingehend und drastisch beschrieben wurden. In einem Interview sagte Donna Cross: »Wir sollten uns heute alle als Lotto-Millionäre sehen, wenn man die brutalen Verhältnisse betrachtet, unter denen die Menschen damals gelebt und gelitten haben.« 17 Dennoch: Man kann doch sagen, dass die Menge an produzierten Gütern, vor allem an Lebensmitteln, wie Milch, Eier, Weizen, Rüben, also die Realmengen als Gradmesser für Wohlstand anzusehen sind. Je besser so ein Hof organisiert beziehungsweise geführt war, je besser die innere Zusammenarbeit, die Gemeinschaft arbeitsteilig – oder auch nicht – funktionierte, desto höher war der Erfüllungsgrad des erreichbaren Wohlstandes.
Das Prinzip, das dahinter steht, ist primär der totale Egoismus des Hofbauern, ausgelöst durch den Überlebenstrieb des Menschen. Jeder ist sich selbst der Nächste. Der Hof wirtschaftet für sich und sonst niemanden. Diese Art von Haus- und Betriebswirtschaft ist die Ausgangslage. Die nächste Stufe ist die, in der sich die Dorfbewohner, die sich alle seit Urzeiten kennen, zusammensetzen und im Rahmen ihrer Dorfgemeinschaft überlegen, wie sie durch irgendeine Art von Arbeitsteilung den Wohlstand des Einzelnen erhöhen können. Üblicherweise war es irgendeine Art von Spezialisierung, die innerhalb der Gemeinschaft zum Austausch von Leistungen führte. Das konnte einfach im Tausch geschehen, ohne dass schon Geld eine Rolle spielen musste. Aber noch immer war die Betriebseinheit als Produktionseinheit in ihrem Denken und Handeln ausschließlich egoistisch, auf den maximalen Ertrag ausgerichtet, abgemildert durch das Verhalten gegenüber besten Freunden oder nahen Verwandten, zu denen man ein gutes Verhältnis hatte.
Im Innenverhältnis wurde darauf geachtet, dass jeder seine Arbeitsleistung ablieferte, sonst bekam er nichts, zugleich wirkte aber auch das, wozu der Mensch in kleinen Gruppen genetisch veranlagt ist: der Altruismus, die Sorge und das Wohlwollen für den Anderen. Bei längerer Zusammenarbeit wirkte der Altruismus auch gegenüber Dritten, man verbündete sich nach außen gegenüber Dritten, um die eigene Existenz und die des anderen zu sichern. Aus der Solidarisierung mit anderen wurde die Erfahrung geboren, dass derlei Bündnisse zusätzliche positive Effekte hatten, Gewinne abwarfen, denn die größere Einheit sicherte ab gegen Versorgungsschwankungen und machte stärker gegenüber Dritten. An der rein egoistischen Grundposition änderte sich nichts.
Der nächste Schritt der Entwicklung war, dass der Bauer die Arbeitsteilung auf Wochenmärkten nutzte, um seine Versorgungslage zu verbessern. Einen Teil seiner Produktion verbrauchte er selbst, einen Teil tauschte er mit Nachbarn, einen Teil verkaufte er auf dem Markt, um mit dem so erworbenen Tauschmittel Geld seine Versorgungslage noch einmal zu verbessern. Wichtig war, dass der reale Wert dessen, was er an
Weitere Kostenlose Bücher