Occupy Economics
Die dritte Phase, die heutige, ist die Do-it-yourself-Gesellschaft, in der einer dem anderen die Bezahlung für Dienste verweigert – so weit als möglich verweigert, indem er als homo oeconomicus am liebsten alles selbst macht. Das Verhalten bleibt nicht im privaten Bereich, im Haushalt hängen, sondern weitet sich in alle Bereiche aus, egal ob es Gewerbe ist, Industrie oder Verwaltung.
Heute sind Verträge auf Zeit angesagt, Abhängigkeit von den Diensten Dritter wird vermieden. Die Vision Fourastiés als Beschäftigungsprogramm, von Wissenschaft und Politik übernommen, erweist sich als fataler Irrtum, denn die Entwicklung geht rückwärts, zurück zur Selbstversorgung. Das Industriezeitalter geht, wie prognostiziert, vorüber, wogegen sich die Politik mit Wachstums-Visionen wehrt. Aber auch diese Vision ist aus besagtem Grund obsolet. Übrig bleibt die »Generation der Verlierer«, versammelt in der occupy-Bewegung und bei den Piraten. Die Entkommerzialisierung der Do-it-yourself-Ökonomie bietet auch keine Geldeinkommen mehr, jedenfalls immer weniger, und verschärft damit den Wettbewerb der Bewerber untereinander, also den Wettbewerb auf dem Arbeitsmarkt. Die Hoffnungslosigkeit macht sich in einer occupy-Bewegung breit. Neue Visionen sind dringend gefragt.
4.5 Realwerte und Geldwerte
Deshalb zurück zum technischen Ablauf auf dem Markt und den zwei doppelten Buchungen. Beide doppelten Buchungen erfolgen in Geldbeträgen, obwohl nur eine davon ein echter Geldtransfer ist. Die Lagerbewegung, der Güterverbrauch, erfolgt realiter nicht in Geld, wird aber als Geldbewegung gebucht, indem man normalerweise den Wert ansetzt, der in Geld bezahlt wurde. In der Tat hat es der Kaufmann geschafft, alles mit einem einheitlichen Maßstab zu unterlegen, auch wenn keine Geldbewegungen dahinter stecken, sondern die realer Güter, des Wareneinkaufs, der Personalkosten, für Mobiliar, maschinelle Anlagen, Gebäude und Grundstücke. Nur beim Umsatz hat der Kaufmann am Ende Geld in der Tasche, das andere war »Ware aus der Tasche«, aber in Geld gerechnet.
Und die Werte nimmt er und stellt sie in die Bilanz (Lager, Investitionsgüter et cetera) oder in die Kostenaufstellung der Gewinn-und-Verlust-Rechnung. Die Feststellung, dass alles in Geldwerten festgehalten wird, aber nur ein Teil davon noch Geld ist, ist von Bedeutung, weil der Bezug der realen Werte zu den Geldwerten im Laufe der Zeit schwindet. Buchhalterisch nennt man das dann »stille Reserven«. Die Geldwerte bleiben als statische Positionen in der Bilanz oder sind ganz abgeschrieben, der reale Wert ist kaum sichtbar, ist verborgen, obwohl damit gearbeitet wird. Das Grundstück, die Fabrikhallen, das innerbetriebliche Know-how, sie bestehen realiter, sind aber zahlenmäßig mit alten, manchmal uralten Werten erfasst. Für die Beurteilung der Realität wären jedoch die realen Werte wichtig, weil sie die eigentlichen Werte sind. Die pekuniären Werte sind nur die vorübergehenden Marktwerte, Tauschwerte der Vergangenheit.
Und genau hier beginnt das Problem. Die Tauschwerte sind reale Anhaltspunkte, aber sie haben mit der eigentlichen Realität nichts zu tun. Die Dinge haben einen Wert an sich, der weit über das Kommerzielle hinausgeht, der auch gar nicht messbar ist. Wir hatten schon das Beispiel des Waldes beziehungsweise der Bäume, die für die Naturvölker im Urwalddorf Lebensgrundlage sind, während sie für die Wilderer einen Geldwert haben, den der Urwalddorf-Bewohner in keiner Weise nachvollziehen kann, weil er für ihn irrelevant ist. Das Zahlenwerk in Geldwerten ist nur eine Krücke für den Kaufmann oder für den Haushalt, eine Periodenrechnung für die kurzfristige Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Aber mehr nicht. Da muss man nicht einmal über Liebe reden oder Heimat, da gibt es auch fassbare, greifbare Beispiele, die einem die Dinge klarmachen, zum Beispiel die Schönheit einer Stadt oder auch einzelne Bauwerke. Nehmen Sie einmal das Brandenburger Tor in Berlin. Wie wollen Sie es in Geld bewerten? Mit seinen Baukosten? Lächerlich! Mit seinem eventuellen Versteigerungserlös, also Werbewert? Wie wollen Sie den feststellen, wenn Sie das Tor nicht versteigert haben? Mit seinem wirtschaftlichen Wert als Umsatzbringer durch Hunderttausende Besucher jedes Jahr? Alles Humbug! Das Brandenburger Tor ist ein Wert an sich, so wie die Nürnberger Burg, der Hamburger Michel, der Kölner Dom und so weiter. Natürlich bieten Bilanzen eine Orientierung, aber der
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