Occupy Economics
über Jahre oder Jahrzehnte entnommene Gewinn geht erst als Barvermögen zu den Haushalten über, dort wird er in Realwerte überführt (Lebensunterhalt, Reisen, Auto, Grundstück, Haus, Aktien). Schon ein Jahr nach einer Investition ist der Geldwert in den meisten Fällen vergessen (nur beim Angeber nicht!), der Privatmann genießt sein Haus, seinen Garten, seine Bilder et cetera. Gegenstand der Überlegungen sind hier die realen Werte, die einen Teil der Versorgung darstellen, die aber nicht mehr über den Markt bezogen wird. Das Privathaus als Altersversorgung, die Altersversorgung in Form gesparter Miete oder anders ausgedrückt: der Dauernutzen der realen Werte. Das Privathaus wird zum Wert an sich. Der Kreislauf schließt sich. Endstation ist die Privatsphäre.
Die etablierten Vermögen sorgen beim Besitzenden für Entspannung, beim Nichtbesitzenden für einen höheren Wettbewerbsdruck, weil ein Teil der Nachfrage ausfällt, weil der, der in seiner Villa sitzt, keine zweite braucht. Der, der in der Villa sitzt, die er in einer Aufbauphase gebaut hat, verweist auf die Leistung, die er erbracht hat, das Geld, das er bezahlt hat, das er sich dafür verdienen musste. Aber wenn die Aufbauphase vorbei ist, stehen die anderen – und vor allem die Jungen – vor der Tür und kommen nicht hinein, weil eben noch mehr Investitionen gar nicht nötig sind, weil es deshalb auch nichts mehr zu verdienen gibt. »Verdammt zu Wachstum« ist die Konsequenz, mit der die Politik heute konfrontiert ist, und mit der sie sowohl aus mathematischen Gründen – es gibt kein immerwährendes Wachstum – als auch aus ökologischen Gründen nicht zurecht kommt. Neuere Studien haben ergeben, dass es heute in Deutschland für einen Dreißig- bis Vierzigjährigen viel schwerer ist, an ein eigenes Haus zu kommen, als es das für seine Eltern war. Es ist klar, warum: Wenn die Eltern alles haben und alles effizient organisiert haben, wird es für den Nachwuchs schwer, sich etwas zu verdienen.
Anmerkung: Zukunftsinvestitionen
An dieser Stelle erklärt sich ein weiterer dramatischer Fehler der politischen Vergangenheit. Er hängt mit dem heutigen Verschuldungsproblem zusammen und heißt Zukunftsinvestition. Zukunftsinvestitionen sind Investitionen des Staates, die er auf Pump finanziert, mit der Rechtfertigung, die künftigen Generationen hätten ja auch den Nutzen davon, dann könnten sie auch die Zinsen dafür zahlen. Für die Generation, die die Investitionen tätigt, ist die in doppelter Hinsicht ein Geschäft. Zum einen nutzen sie die Investition, wofür sie allerdings Zinsen bezahlen, zum anderen ziehen sie aus den Aufträgen und Arbeiten – über die gesamte Wertschöpfungskette gesehen – in der gleichen Höhe Gewinne. Davon lassen sich dann leicht die Zinsen bezahlen, das heißt abziehen. Der nachfolgenden Generation ist das nicht möglich. Sie erbt die Kosten (Zins und Tilgung) – die Chancen hat man ihr genommen. Der Zwang zu Wachstum verstärkt sich, weitere Zukunftsinvestitionen sind nötig, um die Menschen weiter zu beschäftigen. Die Spirale der immer höheren Verschuldung dreht sich nach oben – bis zum Absturz.
Anmerkung: Englands Deindustrialisierung
Bevor wir über Auswege nachdenken, muss man einen weiteren Fehler der Wirtschaftspolitik der Vergangenheit betrachten, nämlich die aktive Politik der Deindustrialisierung, wie sie in Großbritannien betrieben wurde und in leicht abgeschwächter Form auch in den USA. Es handelt sich dabei um einen weiteren Beschleuniger mit der Tendenz zur Hoffnungslosigkeit. Ein deindustrialisiertes Land wie England, das sich dem Finanzgewerbe verschrieben hat, löst außerhalb dieses Gewerbes Hoffnungslosigkeit aus. Man hat den Menschen die Dinge weggenommen, mit denen sie sich aktiv beschäftigen können, wo sie ihre kleinen persönlichen Erfolgserlebnisse beziehen, wo sie ihre Fertigkeiten trainieren können. Wenn sich die Wertschöpfung in den Finanzbereich verlagert, werden Leute reich, die Geld machen und es investieren müssen. Es werden also Investoren geboren. Das sind Leute, die einen Bezug zum Geld haben und zur Geldverwaltung, aber keinen Bezug zu realen Gewerben. Sie sichern ihr gewonnenes Vermögen zum Beispiel in Immobilien. Dort steigen die Preise, weil die Finanzakrobaten ihr verdientes Geld sicher investieren wollen. Die Werte der etablierten Vermögen steigen, vor allem in und um London, aber die Nichtbanker – und das sind die meisten – nehmen daran nicht teil. Die
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