Occupy Economics
verwirklicht? Wer ist für den Schutz der Umwelt verantwortlich? Wie geht Nachhaltigkeit?
6.1 Marktwirtschaft – die verschiedenen Märkte
Um die Konsequenzen der neuen Differenzierung Markt/Kapital beziehungsweise öffentlich/privat zu diskutieren, reicht es aus, sich an einem Standardwerk zu orientieren. Das hier herangezogene Lehrbuch ist nicht so bekannt, aber ihr Autor, der Würzburger Ökonom Peter Bofinger, ist als einer der Wirtschaftsweisen regelmäßig in den Medien präsent. Er gilt außerdem als Vertreter der eher politisch links orientierten Ökonomen, was hier den Vorteil hat, dass er von manchem kritischen Leser nicht sofort abgelehnt wird, wie das beispielsweise bei Werner Sinn der Fall sein könnte. Der nachfolgenden kritischen Auseinandersetzung sei vorangeschickt, dass die Buchauswahl nicht erfolgte, weil ich den Würzburger Professor Bofinger nicht schätze. Im Gegenteil. Ich habe mir vor Jahren das Lehrbuch gekauft, weil ich es im Vergleich zu anderen sehr modern, übersichtlich, plausibel und ansprechend fand und heute noch finde. Gerade das ist auch der Grund, weshalb es relativ einfach war, die hier entwickelten Gedanken daran zu messen.
Und in der Tat weist schon der Titel des Buches 21 auf die hier propagierte Differenzierung hin: Grundzüge der Volkswirtschaftslehre – Eine Einführung in die Wissenschaft von Märkten . Bofinger selbst kommentiert, dass er den Begriff Volkswirtschaftslehre für unglücklich gewählt hält und ihm die »Wissenschaft von den Märkten« eigentlich lieber wäre. Das erste Kapitel trägt die Überschrift: »Volkswirtschaftslehre zeigt, wie Märkte funktionieren«.
Legt man den neuen Maßstab öffentlich/privat an den Äußerungen Bofingers an, erkennt man allerdings mehrere Fehler. Der Text enthält auf Seite 22 eine Beispielaufzählung zum »Forschungsgegenstand« der Volkswirtschaftslehre:
»Schon früh am Morgen nehmen wir am Gütermarkt teil, wenn wir unsere Brötchen beim Bäcker holen.
Den größten Teil des Tages verbringen wir dann als Akteur am Arbeitsmarkt.
Je nach unserer Funktion sind wir dabei auf dem Dienstleistungsmarkt (z. B. als Arzt) oder auf dem Gütermarkt (z. B. als Schreiner) tätig.
Wenn wir dann abends unser Wertpapier-Depot disponieren, sind wir ein Teil des Finanzmarktes.
Als Mieter einer Wohnung sind wir auch noch in den Immobilienmarkt einbezogen.«
An diesen fünf Punkten lässt sich eine erste Prüfung der Frage durchführen, ob die Zuordnung öffentlich/privat beziehungsweise Markt/Kapitalismus zutreffend ist:
Beim ersten Punkt, dem Gütermarkt, dürfte kein Zweifel bestehen: Wenn wir unsere Brötchen holen, sind wir Nachfrager auf dem Gütermarkt, wo wir unser Geld gegen Brötchen tauschen.
Wenn wir allerdings den größten Teil des Tages am Arbeitsmarkt verbringen, dann handelt es sich hierbei nicht um Professor Bofinger selbst, weil er hier fälschlicherweise von »Wir« spricht. Denn: Wer sich auf dem Arbeitsmarkt herumtreibt, der sucht bezahlte Arbeit, sucht einen Job. Unstreitig ist Peter Bofinger als unkündbarer Professor seit 1992 an der Würzburger Julius-Maximilians-Universität tätig. Es mag sein, dass er sich seitdem gelegentlich als Interessent auf dem Arbeitsmarkt umgesehen hat (hinterer Teil der Frankfurter Allgemeinen Zeitung), aber soweit mir bekannt ist, hat Bofinger die Uni bisher nicht gewechselt. Oder anders ausgedrückt: Die Universität Würzburg hat Peter Bofinger im Jahr 1992 vom Arbeitsmarkt genommen. Ob er jemals wieder dahin zurückkehrt, wissen nur er und seine Frau.
Sein nächstes Beispiel, der Arzt auf dem Dienstleistungsmarkt, ist nicht zu beanstanden. Wer seine Leistung als niedergelassener Arzt auf dem Markt für Heilangebote anbietet, ist auf dem Dienstleistungsmarkt tätig, bietet eine Dienstleistung an.
Dann allerdings das andere Beispiel, der Schreiner: Wieso ein Schreiner, also ein Werkdienstleister, auf dem Gütermarkt tätig sein soll, ist nicht verständlich. Denn ein Schreiner ist ein Werkdienstleister, er schließt Werklieferungsverträge ab, zum Beispiel für Türen, die er herstellt und einbaut. Also ist er auf dem Markt für Werklieferungen und nicht auf dem Markt für Güter (Möbel) tätig.
Sodann: Bofingers abendliche Beschäftigung mit dem Wertpapierdepot ist sehr wohl ein Tummeln auf dem Finanzmarkt.
Wieso allerdings ein Mieter einer Mietwohnung in den Immobilienmarkt einbezogen sein soll, ist nicht erfindlich. Zum einen werden auf dem Immobilienmarkt
Weitere Kostenlose Bücher