Occupy Economics
Immobilien gehandelt, das heißt angeboten und nachgefragt. Der Mieter einer Wohnung war allenfalls auf dem Markt für Mietwohnungen unterwegs, bevor er eingezogen ist, nicht auf dem Immobilienmarkt. Seitdem hat er einen privaten Mietvertrag mit seinem Vermieter (der Eigentümer oder Verwalter sein kann) und bleibt dem Markt seit Jahren fern, es sei denn, er würde sich für eine neue Wohnung interessieren.
Schon bisher wird offenbar, dass die Wissenschaft nicht ganz so umfassende Kenntnisse vermittelt, wie sie zu vermitteln vorgibt. Eine Fortführung offenbart weitere Fehler beziehungsweise Unschärfen:
6.2 Mikroökonomie
Bofingers Kapitel 1.3 geht der Satz voraus:
»Die VWL befasst sich mit ganz unterschiedlichen Märkten und ist in zwei große Hauptgebiete unterteilt«. Weiter heißt es: »Es hat sich eingebürgert, dass man die Volkswirtschaftslehre in zwei große Teilbereiche untergliedert: die Mikroökonomie und die Makroökonomie, wobei die Grenzen fließend sind. Für die Mikroökonomie steht die Analyse individueller Märkte im Vordergrund. Sie untersucht beispielsweise die Entwicklung der Preise für Bier, Rohöl oder Urlaubsreisen. Die Affinität zur Betriebswirtschaftslehre ist besonders ausgeprägt. Die Makroökonomie hat eine stark gesamtwirtschaftliche Ausrichtung. Sie interessiert sich vor allem dafür, wie das Wirtschaftswachstum ausfällt, wie hoch die Arbeitslosenrate sein wird und wie sich das Preisniveau, also die Gesamtheit aller Einzelpreise entwickelt.«
Wenn man die Aussage nach den hier gefundenen Unterscheidungskriterien öffentlich/privat beziehungsweise VWL/BWL abfragt, so wird man der Mikroökonomie eine besondere Nähe zum Markt, zur Marktwirtschaft, also zur Lehre von der Marktwirtschaft, der Katallaxie, bescheinigen und nicht zur Betriebswirtschaftslehre, zur Ökonomie. Die Begründung ist einfach: Der zentrale Ansatz der Volkswirtschaftslehre ist die Angebots- und Nachfragekurve. Im Betrieb, im Unternehmen finden Organisation und Produktion statt. Das Zusammentreffen mit dem Kunden, mit der Nachfrage, erfolgt auf dem Markt, also dort, wo Marktwirtschaft stattfindet.
Umgekehrt addieren und summieren sich die betriebswirtschaftlichen und hauswirtschaftlichen Daten, also die privatwirtschaftlichen Daten einschließlich der Marktdaten zu den Gesamtdaten einer Volkswirtschaft, das heißt, sie liefern in der Summe die Daten der Makroökonomie. Die Makroökonomie hat in der Tat eine gesamtwirtschaftliche Ausrichtung, ist also sowohl Ökonomie als auch Katallaxie, ist also eigentlich Volkswirtschaftslehre.
Die Märkte selbst liefern selten Daten, die in offizielle Statistiken eingehen. Messen sind die größten Märkte. Messe-Veranstalter melden den Erfolg der jeweiligen Messe durch die Bekanntgabe von Auftragszahlen oder anderen Highlights, wie die Zahl der Aussteller oder die Zahl der Besucher.
Marktdaten sind nackte Geldwerte. Lebendig werden die Zahlen, wenn manipulative Größen mitspielen: Anzahl der verkauften Autos, Anzahl der Beschäftigten oder der Arbeitslosen (Arbeitsmarkt), Verbrauch an Material (Tonnen) oder Einsatz von Flächen (Hektar), Einsatz von Kapital (Euro), Energieverbrauch (Megawatt), Investitionsvolumen oder Gewinne. Sie ergeben in der Summe jeweils makroökonomische Werte, die gesamtwirtschaftliche Aussagen zulassen.
Der zweite Teil des Bofinger-Buches ist dann der Makroökonomie gewidmet. Das Kapitel 2 im ersten Teil trägt die Überschrift: »Die ›unsichtbare Hand‹ des Marktes: Wie kommt der Aktienkurs für die Hyper-Tec AG zustande?«, beschäftigt sich also mit dem Finanzmarkt. Bei genauerer Betrachtung erweist sich der Aktienmarkt jedoch als untypisch. Der Aktienmarkt wäre vergleichbar mit einem Markt für Gebrauchtwagen, die nicht altern. Aktien sind allerdings auch keine Oldtimer oder Youngtimer, die ihren wachsenden Wert aus der altersbedingt wachsenden Knappheit beziehen. Aktien sind Wertgegenstände, die schwankende Renditen abwerfen, deren Bewertung politischen und anderen relevanten Tagesmeldungen unterworfen ist. Der Aktienmarkt ist untypisch, weil die Produkte nicht verbraucht werden, wie Brötchen oder Benzin, also nur einmal auf einem Markt auftauchen und dann nie mehr, sondern weil sie nur hin und her geschoben werden, von einem Portefeuille zum anderen – und vielleicht eine Stunde oder Sekunde später schon wieder zurück. Die Anbieter und die Nachfrager auf dem Aktienmarkt sind identisch. Auch hat auf dem Aktienmarkt, anders als
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