Occupy Economics
auf dem Markt für Neuwagen beispielsweise, niemand auf seine Kosten eine Marge aufgeschlagen, um am Verkauf regelmäßig etwas zu verdienen. Der Verkäufer kann den künftigen Preis nicht kalkulieren und festsetzen, sondern er muss ihn gänzlich dem Markt überlassen. Ein solider Kaufmann geht solchen Spekulationen aus dem Wege, es sei denn, er sucht eine werterhaltende Geldanlage für Gelder aus seinen Gewinnen. Aktienkauf ist kein Geschäft. Die Käufer und Verkäufer von Aktien sind Spekulanten oder allenfalls Vermögensverwalter. Vermögensverwaltung ist privater Einkauf und Verkauf, das ist Erwerb, um es zu besitzen, nicht um es zu gebrauchen oder zu verbrauchen, auch wenn die Absicht besteht, die Aktien in zehn Jahren mit Gewinn zu verkaufen. Allein der Markt macht den Preis, nicht der Kaufmann. Anders ist es lediglich bei Neuemissionen, die jedoch selten vorkommen. Dort kann man von einem Erlös im Sinne eines Markterlöses sprechen. Man kann es sich auch klarmachen, indem man die Buchungen betrachtet: Gekaufte Aktien gehen sofort »auf Lager«, also in die Bilanz ein. Der Erlös der Verkauften wird gegen den Kaufpreis gestellt. Die Differenz ist die positive oder negative Einnahme, der eigentliche Umsatz. Selbst wenn ein professioneller Day-Trader das Geschäft betreibt, der von morgens bis abends die Marge zwischen Einkaufspreis und Verkaufspreis abgreift, wird aus dem Börsenparkett kein Markt, keine Tauschregion im Rahmen irgendeiner Art von Arbeitsteilung. Der Aktienmarkt ist kein Markt, sondern ein Barometer für die Vermögens- und Stimmungslage von Aktienbesitzern.
Der Einzige, der am Aktienmarkt regulär gewerblich tätig ist und der dafür als Dienstleister honoriert wird, ist der Börsenmakler auf dem Parkett – so es ihn überhaupt noch gibt und er nicht durch elektronischen Handel ersetzt ist. Sein Preis, sein Lohn, sein Honorar, seine Provision ist ein Marktpreis, hinter dem ein regelmäßiger Gewinn steckt. Er ist auf dem Markt der Börsenmakler tätig, wo er durch Provisionen Umsätze erzielt.
Zu widersprechen ist auch dort, wo behauptet wird, der Staat würde in die Funktionsweise des Marktes eingreifen. Denn Faktum ist, dass der Staat durch die Rechtsordnung erst den Handel mit Fremden ermöglicht, also die Voraussetzung schafft. Dahinter steht die Adam Smith’sche Vorstellung, dass der Markt etwas Natürliches, also Gottgegebenes ist. Das ist so falsch wie die Vorstellung, dass sich die Zehn Gebote aus der Natur ergeben. Natürlich gibt es ein unkodiertes Naturrecht, aber die Zehn Gebote sind geschriebene Regeln, die sich die Menschen gegeben haben, um als sesshafte Nachbarn friedlich nebeneinander leben zu können. Und nicht anders ist es mit der Rechtsordnung, insbesondere dort, wo sie sich auf das Marktgeschehen bezieht. Die Regeln sind aus Erfahrungen entwickelt, in Verbindung mit der Natur, aber sie sind nirgendwo abgeschrieben. Sie bilden die Voraussetzung für geordnetes Marktgeschehen, stellen keine Eingriffe dar.
Auch der nächste Satz, bei dem es um Güter geht, »die vom Markt nicht angeboten würden«, offenbart das marktzentrische Denken, das Primat des Marktes. Realiter ist es jedoch so, dass der Markt ein kleiner Lebensausschnitt ist, der in der urdörflichen Gemeinschaft, die ohne Fremde auskommt, sogar überflüssig ist, weil die notwendige Arbeitsteilung auch ohne Markt funktioniert. Man kann sogar sagen, dass die wichtigen Dinge alle nicht vom Markt angeboten werden, auch wenn Märkte vorhanden sind. Der Markt bietet Gewehre und Panzer, aber keine organisierte Abwehr von Feinden (Landesverteidigung), der Markt bietet käufliche Liebe, aber keine wahre Liebe, der Markt bietet Champagner und edle Früchte, aber keine Familienfeste, der Markt bietet Medizin, aber keine Gesundheit, der Markt bietet Straßenbau, aber kein System für eine funktionierende Infrastruktur, der Markt bietet Flugzeuge und Fluggesellschaften, aber der Staat stellt die Vorschriften und die Infrastruktur (Luftkorridore) et cetera. Daraus ist ersichtlich: Der Markt hat stets nur eine dienende Funktion, ist die primitive Versorgungsschiene, auf die wir angewiesen sind, aber die uns nicht regieren darf.
Im nächsten Punkt heißt es bei Bofinger zu den »Eingriffen« des Staates in die Funktion des Marktes 22 :
»Er sorgt mit Steuern oder Produktionsauflagen dafür, dass Produzenten bei der Produktion auch die Kosten jener Güter berücksichtigen, für die es keinen Marktpreis gibt. Das wichtigste
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