Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
liebsten nicht stellen. »Ist Jonathan gekommen, um dich zu besuchen?«
»Schon länger nicht mehr.« Sie schaute zu Boden. »Raina hat ihm gesagt, dass ich mich nicht gut genug fühle, um zu telefonieren oder Besuch zu haben.«
Was bedeutete, sie wusste noch nicht Bescheid. »Paige«, fragte ich leise, »in welchem Monat bist du?«
Sie versuchte zu lächeln. »Erst in der fünften Woche. Ja, ich weiß – mein Bauch ist riesig. Raina sagt, das liegt an all dem Salzwasser, das ich getrunken habe. Bei ihr war es ganz genauso, als …«
». sie selbst schwanger war?«, vollendete ich den Satz. Ich betrachtete ihren Bauch, der sich rund wie eine Melone vorwölbte. »Warst du beim Arzt?«
»Nein. Raina hat uns beide auch zu Hause zur Welt gebracht, mit Bettys Hilfe, und ich werde mein Baby zu Hause mit Rainas Hilfe bekommen.«
»Aber du bist erst in der fünften Woche und siehst aus, als seien es schon fünf Monate gewesen. Findest du es nichtmerkwürdig, dass deine Mutter keinen Arzt überprüfen lässt, ob alles okay ist?«
»Ein bisschen«, gab sie zu. »Ich würde sogar selbst fahren, nur haben Raina und Zara mich regelrecht unter Hausarrest gestellt. Und ich bin so müde. Ich schaffe es nicht einmal, allein nach unten zu gehen, um zu telefonieren.«
Fast war ich in Versuchung, mir Paige zu schnappen und sie sofort ins Krankenhaus zu bringen, aber ich zwang mich, sitzen zu bleiben. »Würdest du dir das hier bitte mal anschauen?«
Ihre Hand bebte, als sie die Papiere entgegennahm, die ich aus meiner Handtasche gezogen hatte. »Was soll das sein?«, fragte sie, während sie langsam die Zeitungsartikel und Fotos durchblätterte.
»Xavier Cooper, Max Hawkins, John Martinson«, zählte ich die Namen der jungen Männer auf, deren Bilder sie jeweils betrachtete.
Sie schaute zu mir hoch. »Zaras Verehrer?«
»Nicht ganz«, antwortete ich und holte einen weiteren Papierstapel hervor.
Sie nahm ihn entgegen und studierte die Fotos und Zeitungssausschnitte von den Männern in Rainas Scrapbook. »Davon kenne ich keinen Einzigen.«
»Nein, aber deine Mutter kannte sie. Und ihre Freundinnen.«
Während Paige weiterblätterte, schaute ich über die Schulter durch die Fenster der Vorderfront. Draußen war der Regen stärker geworden, und die Leute verbargen sich unter Wetterjacken und Schirmen. Einige eilten schon zurück zu ihren Autos. Die heranrückende Gewitterfront sorgte wohl dafür, dass die Nähe zum Wasser sie nervös machte.
»Paige«, sagte ich und wandte mich wieder zu ihr um.»Was ich dir jetzt erzähle, wird bestimmt nicht leicht für dich. Außerdem hast du wahrhaftig schon genug Sorgen … aber noch größere Probleme wirst du bekommen, wenn ich dir nicht alles sage, was wir herausgefunden haben. Ganz zu schweigen vom Rest der Stadt.« Durch das Fenster auf der Hafenseite sah ich, dass der Himmel pechschwarz wurde und der Wind das Wasser aufpeitschte. Winzige goldene Lichtpunkte hüpften in der Dunkelheit herum wie Glühwürmchen in einem Glas, als die Schiffe zu ihren Anlegestellen zurückkehrten.
Paiges Atem ging schneller. »Was immer du mir erzählen willst, beeil dich. Z kann jede Minute wieder hier sein.«
»Paige … Zara kommt nicht zurück. Sie ist mit Caleb Carmichael zusammen.«
»Was?« Sie schüttelte den Kopf. »Aber sie hat doch gesagt –«
»Raina und Zara haben dir eine Menge gesagt, was nicht stimmt, und noch mehr haben sie dir verschwiegen.«
Der erste Blitz zuckte über den Himmel. Paige fuhr zusammen und hielt sich den Bauch.
»Nachdem Betty ihren Schwimmunfall hatte«, erklärte ich schnell, »hat deine Mutter sie im Haus eingesperrt, damit sie sich nicht erholen konnte. Zumindest nicht vollständig. Raina wollte sie schwächen, um sicherzugehen, dass Betty nicht versuchen würde, ihr in die Quere zu kommen.«
»Ihr in die Quere kommen?« Sie presste die Hände gegen ihren schmerzenden Unterleib. »Wobei denn?«
»Bei Xavier Cooper. Max Hawkins. Alex Smith.«
Sie öffnete den Mund, um zu protestieren.
»Du hast gesagt, Zara habe vor zwei Jahren damit angefangen, auf ›Dates‹ zu gehen«, warf ich schnell ein. »Bettys Unfall war auch vor zwei Jahren. Aber ich wette, der Unfall kam zuerst.«
Sie klappte den Mund wieder zu, ohne mir zu widersprechen.
»Die beiden mussten warten, bis Betty aus dem Weg war. Erst als sie nicht mehr die Kraft hatte, allein für sich selbst zu sorgen, konnte die jüngere Generation die Kontrolle übernehmen und endlich tun, wozu
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