Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
sie … geboren war.«
»Soll heißen? Vielleicht ein Restaurant leiten und Touristen bedienen? Das ist es nämlich, was die beiden tun.«
»Stimmt, doch außerdem bringen sie Männer dazu, sie zu lieben. Oder sich zumindest einzubilden, sie wären verliebt.«
»Vanessa«, sagte sie und holte angestrengt Luft. »Mir ist klar, dass Z schon eine Menge Jungs hatte, aber sie sieht umwerfend gut aus. Natürlich verlieben sich die Männer in sie.«
»Das liegt nicht nur an ihrem Aussehen. Sondern daran, wer … oder was … sie ist. Ich meine, was beide sind«, ich hielt kurz inne, »und du auch.«
Sie starrte mich an. »Ich sollte Raina holen«, sagte sie und begann aufzustehen.
»Sie gehören zum Sirenenvolk«, erklärte ich mit lauter werdender Stimme. »Wie diese Wasserfrauen, von denen man in der Schule gelesen hat, nur dass sie real sind. Sie verwirren den Männern den Verstand, locken sie hinaus aufs Meer und töten sie. Das ist mit jedem von Zaras Freunden passiert … sie sind nicht einfach nur nach Hause gefahren, weil ihnen das Herz gebrochen wurde. Die Männer, die diesen Sommer gestorben sind, haben das gleiche Schicksal erlitten. Und heute Abend wird es wieder passieren, wenn wir nichts dagegen tun.«
»Vanessa, meine Schwester mag ja ein echtes Biest sein, aber deshalb ist sie noch lange keine –«
»Ich weiß, wie verrückt das klingt. Total durchgeknallt. Aber denk mal darüber nach.« Ich schaute hinter mich, alsder Donner die Glasvasen auf den Tischen klirren ließ. »Vor ihrem Unfall ist Betty jeden Tag stundenlang schwimmen gewesen. Raina ist mehrmals täglich im Wasser. Seit zwei Jahren hält sich Zara immer öfter im Meer auf. Ihr alle nehmt Salzbäder.«
»Du bist doch in unserem Haus gewesen. Es ist alt und steht mit den Grundmauern schon fast im Ozean. So funktionieren die alten Wasserleitungen eben.«
Ich beugte mich zu ihr vor. »Wenn es dir in den letzten Wochen schlechtging, hat Raina dich Meerwasser trinken lassen. Und es hat geholfen, oder nicht? Du hast dich hinterher besser gefühlt?«
Sie nickte zögernd.
»Es gibt einen Wandlungsprozess, den Sirenen in einem bestimmten Alter durchlaufen … normalerweise wenn sie erwachsen genug sind, um Kinder bekommen zu können. Bei Zara wurde es wegen Betty hinausgezögert.«
»Und was ist mit mir?«, fragte sie und blickte auf ihren Bauch hinunter.
»Du bist schwanger geworden«, sagte ich. »Obwohl dein Körper noch nicht bereit dafür war. Deswegen hat es dich so krank gemacht.«
Sie schaute mich an, dann ließ sie ihren Blick zum Hafen wandern.
Die nächsten Worte wählte ich sorgfältig. »Es gibt da noch eine letzte Sache, die du wissen solltest.«
Sie blickte zuerst mich und dann die Zeitung an, die ich ihr entgegenhielt. »Jonathan?«, flüsterte sie, als sie die Schlagzeile erblickte.
»Tut mir so leid, Paige«, sagte ich sanft.
»Das braucht es nicht«, antwortete sie mit bestimmter, lauter werdender Stimme. »Damit ist jemand anderer gemeint. Nicht mein Jonathan.«
Ich schluckte. »Doch, dein Jonathan. Raina wusste, wie sehr du an ihm hängst, und sie wollte nicht, dass deine Gefühle im Wege sind, wenn –«
»Vanessa, hör auf!«, rief sie mit brechender Stimme. Sie schob die Zeitung weg und umklammerte ihren Bauch. »Hör einfach auf, okay? Bitte. Ich will davon nichts mehr hören.«
Mir klopfte das Herz bis zum Halse, als sie leise zu weinen begann. Ich schaute zu Simon auf, der einmal kurz nickte. Mir war klar, dass wir nicht viel Zeit hatten, also legte ich eine Hand auf ihre und versuchte, sie erneut zu überzeugen. »Tut mir leid. Wirklich. Mir ist klar, wie unglaublich sich das anhört, aber trotzdem ist jedes Wort wahr. Nach allem, was wir durch Betty und Zaras Tagebuch –«
»Zaras Tagebuch?« Ihre Augen sprühten Funken, als ihr Kopf zu mir hochruckte. »Was tust du mit –«
»Justine Sands war meine Schwester.«
Ihr Gesicht wurde ernst und traurig. Sie wusste, von wem ich sprach.
»Sie ist gestorben, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort ins Meer gesprungen ist. Sie ist ertrunken, weil die Sirenen sie dort unter Wasser gezogen haben. Ja, ich habe Zaras Tagebuch gelesen, das gebe ich zu. Denn ich habe versucht, mehr herauszufinden.« Ich holte das Buch aus der Handtasche und hielt es Paige entgegen. »Meine Schwester hatte keine Gelegenheit mehr, mir zu erzählen, was ihr wichtig war. Bei Zara ist das anders. Denn was deine Schwester dir erzählen müsste, wenn du ihr wirklich am
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