Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
vorangeht, oder mach ihm ein Kompliment über seine Zeichnungen.«
Ich wollte gerade fragen, was sie damit meinte, als Zara wieder durch die Tür geschossen kam.
»Okay, nächster Versuch – echt kompliziert!«, schrie sie durch die Küche. »Unsere Kundin will ein Omelett mit Pilzen und Spinat. Zwar bin ich keine Köchin, aber ich bin trotzdem ziemlich sicher, dass darin Eier, Pilze und Spinat vorkommen sollten, also weder Schmelzkäse, Cheddar noch Gouda.«
Während Louis um einiges lauter herumpolterte, nahm ich das Tablett vom Tisch und ging in Richtung Tür. Ich behielt das schwappende Teewasser im Auge, und es gelang mir irgendwie, den Restaurantsaal zu durchqueren, ohne in jemanden hineinzulaufen oder etwas fallen zu lassen. Vor Erleichterung, den Job fast hinter mich gebracht zu haben, bemerkte ich das Notizbuch und die Kohlestifte auf Olivers Tisch erst, als ich den Teller voll Toast bei ihm abstellte.
»Wie geht das Schreiben voran?« Ich warf einen Blick auf das geöffnete Heft. Die Seiten waren mit winziger, krakeliger Schrift gefüllt, aber die größer geschriebenen Worte am oberen Rand konnte ich entziffern. »Die vollständige Chronik von Winter Harbor, Band 5? Ich hätte nicht gedacht, dass es über einen so kleinen Ort so viel zu wissen gibt.«
Oliver riss mit einem Ruck das Heft an sich, wodurch ein Skizzenbogen darunter sichtbar wurde. Sein grauer zittrigerFinger tippte energisch auf das Bild, und ich zuckte überrascht zusammen, so dass meine Armbewegung etwas dampfendes Wasser über den Tassenrand schwappen ließ. Als mein Blick auf die Zeichnung fiel, wurden meine Augen so groß wie vorher Olivers.
Das Bild zeigte klar erkennbar einen ganz bestimmten Platz, den man sich nicht ausmalen konnte, außer man hatte ihn selbst gesehen.
Die Chione Cliffs.
K APITEL 7
I ch kapiere es einfach nicht«, sagte ich am nächsten Tag zu Simon, als wir den Strand überblickten. »Ich meine, es ist schon schwer genug zu verstehen, warum jemand so tief ins Wasser geht, dass die Füße nur noch den Boden berühren, wenn man mit dem Kopf untertaucht. Aber was wirklich über meinen Verstand geht, ist die Idee, freiwillig ins offene Meer zu surfen, wo dich die Wellen raus- und runterziehen können, sobald sie auch nur deine Knöchel berühren.«
»Heißt das, ich habe dir heute umsonst den Schnupperkurs im Wellenreiten gebucht?« Simon klang enttäuscht.
Ich schaute ihn an. »Du hast mir einen Kurs gebucht?« Zwar wusste er nicht alles über meinen Unfall vor zwei Jahren, aber doch genug, um mich nicht zu einer Wiederholung anzumelden.
Er grinste. »Genau. Und danach gehen wir Fallschirmspringen. Und Bungee-Jumping. Falls noch Zeit ist, können wir versuchen, über glühende Kohlen zu laufen.«
»Da bin ich ja froh, dass ich meine feuerfesten Sneakers angezogen habe.«
Er schenkte mir ein Lächeln, dann begann er, auf eine Gruppe Autos zuzugehen, die unten am Strand geparkt waren.
Ich folgte ihm und dachte darüber nach, wie froh ich zweiStunden zuvor gewesen war, sein Klopfen an der Hintertür zu hören. Sein Auto hatte nicht in der Auffahrt gestanden, als ich gestern am frühen Abend von Bettys Fischerhaus zurückgekehrt war, und blieb bis fast um Mitternacht verschwunden. Sobald ich es sah, konnte ich mich endlich genug entspannen, um mich auf die Couch zu legen und ans Einschlafen zu denken. Um fünf Uhr morgens war ich wieder hochgeschreckt, und um sechs hatte ich bereits geduscht und dann den Fernseher und das Radio leiser gedreht, damit ich Simons Klopfen nicht überhörte. Er war um acht gekommen und hatte wieder Smoothies und Eibrötchen mitgebracht. Eine halbe Stunde später saßen wir schon in seinem Kombi und fuhren in Richtung Beacon Beach, wo Calebs Freunde am liebsten Wellenreiten gingen.
Und jetzt würden wir gleich herausfinden, ob seine Freunde mehr wussten als wir.
»Das war echt verrückt«, sagte ein Typ im Neoprenanzug zu Simon, als ich mich dem Halbkreis aus klapprigen Jeeps und Pick-up-Trucks näherte. »Er ist einfach abgehauen. Jack wollte ihn mit dem Auto abholen, weil wir ein Barbecue geplant hatten, und da war er schon weg.«
»Und seitdem habt ihr nichts von ihm gehört?«, wollte Simon wissen. »Kein Anruf? Keine Mail?«
Der Typ (dessen Name Mark war, wie ich durch ein Foto wusste, das Justine letzten Sommer von Caleb und seinen Freunden aufgenommen hatte) schüttelte den Kopf. »Nichts. Kein einziges Wort. Wir haben einfach angenommen, dass die Sache zu viel für
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