Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
sich trafen.
Dunkelheit. Es war Nacht, draußen heulte ein Sturm, und das einzige Licht im Zimmer kam vom Wetterleuchten vor dem Fenster. Normalerweise wäre das der Moment gewesen, in dem ich mir eine Taschenlampe geschnappt und mich unter der Decke versteckt hätte, bis der Strom wieder lief. Aber jetzt war es mir egal.
»Schon gut. Danke für das Angebot.« Damit wollte ich fortfahren, ihn zu küssen, aber er drückte den Kopf zurück in das Kissen. »Was? Was ist los?«
Simon strich mir das lange Haar aus der Stirn und über die Schulter. »Nichts …«, sagte er und betrachtete mich nachdenklich. »Nur, gerade eben …in diesem seltsamen Licht … waren deine Augen fast silbern.«
K APITEL 15
A m nächsten Morgen schreckte ich mit klopfendem Herzen und schwindeligem Kopf aus dem Schlaf. Ich presste die Augen zusammen und bereitete mich auf die üblichen Horrorbilder vor: das altbekannte, in dem ich am Meeresufer stand, und das neue, in dem Justine mit fleckigen Armen nach mir griff. So begann mein Morgen immer, da diese Szenen auch das Letzte waren, was ich vor mir sah, bevor ich irgendwann einschlief.
»Hallo.«
Ich schlug die Augen auf.
»Alles okay?«
Erst jetzt bemerkte ich den Globus in einer Zimmerecke, das chemische Periodensystem an der gegenüberliegenden Wand … und Simon, der seine Lippen auf meine nackte Schulter drückte. »Wie spät ist es?«
»Neun«, sagte er sanft. »Und wenn es nach mir ginge, könnten wir den ganzen Tag hierbleiben. Aber vermutlich sollten wir in der Küche aufräumen, bevor Caleb aufwacht.«
Ich nickte, sah ihn aus dem Bett steigen und versuchte, das Geschehene zu verarbeiten. Zu meiner Überraschung kam ich gut mit dem Gedanken zurecht, dass wir die kürzlich noch klare Linie zwischen Freunden und mehr als Freunden überschritten hatten und dass ich keine Ahnung hatte, wie es nun weitergehen würde. Weder war ich starr vor Schreck, noch fühlte ich Bedauern, weil ich mich so ungewöhnlichzielstrebig ausgerechnet auf die Person gestürzt hatte, die ich am wenigsten verlieren wollte.
Der Grund, warum ich wortlos auf den See draußen vor dem Fenster starrte, anstatt Smalltalk zu machen, war die Uhrzeit. Es war neun, und ich musste keine Überbleibsel nächtlicher Alpträume wegblinzeln. Was bedeutete, dass ich zum ersten Mal seit Ewigkeiten ganze acht Stunden am Stück geschlafen hatte.
»Ich glaube, wir sind schon zu spät.«
Mein Kopf fuhr zu Simon herum. »Zu spät?«
Er stand neben der geschlossenen Tür und lauschte. Da hörte ich es ebenfalls: Unten schepperte Geschirr.
Hastig sprang ich aus dem Bett und zog mir was über, wobei ich mich fragte, was Caleb wohl denken würde, wenn wir zusammen in die Küche kamen. Wahrscheinlich würde es ein Schock für ihn sein, da der Gedanke, Simon und ich könnten ein Paar werden, bisher nicht gerade naheliegend gewesen war. Aber ich hoffte vor allem, dass er nicht verletzt reagieren würde. Was war, wenn wir dadurch neue, schmerzhafte Erinnerungen an Justine weckten? Oder wenn er sich verraten fühlte und wieder weglief? Oder –
»Spiegelei?«
Ich erstarrte im Kücheneingang. Falls Caleb schockiert, verletzt oder eifersüchtig war, sah man es ihm jedenfalls nicht an. Er saß am Küchentisch, hatte die Scherben von gestern Abend schon verschwinden lassen, frühstückte und las.
»Eine Pfanne voll steht noch auf dem Herd«, meinte Caleb, ohne von seinem Buch aufzuschauen. »O-Saft ist im Kühlschrank.«
Ich ließ mir von Simon ein Glas Saft reichen und nahm gegenüber von Caleb Platz. Er hatte sich die braune Farbe aus dem Haar gewaschen und sah jetzt, nach genug Schlafund einer anständigen Mahlzeit, gleich viel gesünder und kräftiger aus.
»Es ist ziemlich früh«, meinte Simon, »und du bist bestimmt noch müde. Willst du dich nicht wieder hinlegen?«
»Nö«, sagte Caleb und klappte das Buch zu.
Ich zog die Komplette Stadtgeschichte von Winter Harbor, die Caleb beiseitegelegt hatte, zu mir heran und begann zu blättern. Dabei suchte ich nach Passagen über seltsame Wetterphänomene, unerklärliche Todesfälle und grinsende Ertrunkene.
»Okay, ich bin dafür, dass wir zuerst die Cops anrufen und dann Zara konfrontieren.«
Simon setzte sich neben mich. »Caleb, wir können die Polizei nicht rufen, solange wir nur einen Verdacht und keine Beweise haben. Und was meinst du mit konfrontieren? Was willst du denn sagen? ›Hallo Zara, ich weiß, was du diesen Sommer getan hast‹?«
»So was in der
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