Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
Aber mir fiel keins ein. Denn Simon hatte recht – es wäre nicht fair von uns gewesen. Zwar wünschte ich mir, es könnte anders sein, aber Caleb hatte wirklich schon genug durchgemacht. Wenn wir ein Paar wurden, würde ihn das nur daran erinnern, was er verloren hatte.
»Ich sollte gehen«, sagte ich schließlich. »Wenn ich zu Hause geduscht habe, komme ich zurück.«
Er öffnete den Mund, um noch etwas zu sagen, aber da war ich bereits aus der Tür gerannt.
Ich durchquerte den Garten der Carmichaels und unseren eigenen, ohne die frühmorgendlichen Schwimmer am See oder den Aufruhr in meinem Magen bewusst zu bemerken. Vielleicht war das Timing wirklich schlecht gewesen … aber das bedeutete nicht, dass wir einen Fehler gemacht hatten. Es hieß nicht, dass die letzte Nacht nicht hätte passieren sollen. Simon und ich hatten keinen Grund, uns schuldig zu fühlen oder etwas zu bedauern oder –
Abrupt blieb ich stehen. Ich war inzwischen über die Veranda ins Haus gelaufen, und es war zu still. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte ich weder den Fernseher noch das Radio abgestellt. Aber vielleicht hatte ich das nur vergessen, weil ich zu aufgeregt gewesen war, denn schließlich hatte ich Simon in der Bibliothek treffen wollen. Ich entschied mich für diese Erklärung und ging in Richtung Küche.
»Gut geschlafen?«
Wie erstarrt blieb ich in der Tür stehen. »Mom?«
Sie saß am Küchentisch und hatte ihr Notebook vor sich aufgestellt. Eine Tasse Kaffee stand neben ihrem Black BerrySmartphone und den Autoschlüsseln. Sie starrte auf den Bildschirm, schaute mich nicht an und tat so, als würde sie lesen. »Wie ich gehört habe, gab es gestern Abend ein ziemliches Gewitter. Ich weiß ja, wie sehr du so etwas hasst, also hast du bestimmt kein Auge zugekriegt.«
»Was machst du hier?«
Sie nahm die Kaffeetasse vom Tisch, lehnte sich zurück und schaute mich an.
»Mir geht’s gut, das habe ich dir doch am Telefon gesagt. Ich hoffe, du hast keins deiner wichtigen Meetings platzen lassen, um herzukommen und mich zurück nach Boston zu holen. Weil ich nämlich nicht mitfahren werde.«
Ihr perfekt mit Lippenstift nachgezogener Mund lächelte. »Ja, du hast erwähnt, dass es dir gutgeht. Und auch, dass du wunderbar schläfst. Also kannst du dir denken, wie überrascht ich war, als ich vor Sonnenaufgang ankam und feststellen musste, dass der Volvo deines Vaters nicht vor unserem Haus steht, sondern nebenan.«
»Wir sind spät zurückgekommen«, sagte ich und wurde rot. »Sie haben mich zum Abendessen eingeladen, und da es schon zu regnen angefangen hatte, war es einfacher, den Wagen drüben stehen zu lassen.«
»Sie?« Moms Gesicht entspannte sich. »Mr und Mrs Carmichael sind aus Vermont zurück?«
Ich schaute zu Boden.
»Vanessa?«
»Nein … aber es ist nicht so, wie du denkst.«War es natürlich doch, aber das erzählte ich ihr lieber nicht. »Wir haben nur Filme geguckt und sind dabei eingeschlafen.«
»Entschuldige, wenn ich ein bisschen langsam bin – ich habe letzte Nacht nicht geschlafen und bisher nur eine Tasse Kaffee getrunken. Also will ich sichergehen, dass ich dich richtig verstanden habe.« Sie schaute gedankenvoll zur Decke.»Nachdem ich mir wochenlang Sorgen machen musste, weil du ganz alleine bist und mich nie zurückrufst, und nachdem du gestern den ganzen Tag nicht ans Telefon gegangen bist, erzählst du mir jetzt, dass es dir kaum bessergehen könnte? Tatsächlich geht es dir so gut, dass du die Nacht damit verbracht hast, zusammen mit Simon Carmichael Filme zu schauen, obwohl sein Bruder dafür verantwortlich ist, dass –«
»Hör damit auf.« Ich trat in die Küche. »Caleb ist nicht verantwortlich dafür, was mit Justine passiert ist. Er hat sie mehr geliebt als alles auf der Welt, und er hätte nie etwas getan, um ihr zu schaden.«
»O bitte, Vanessa. Deine Zeit hier allein in der Wildnis hat anscheinend Spuren hinterlassen. Man konnte die Sache zwischen ihm und Justine ja kaum eine Beziehung nennen, höchstens einen nebensächlichen Urlaubsflirt. Völlig bedeutungslos. Und falls du dir einbildest, dass es bei dir und Simon anders ist, dann muss ich dir leider mitteilen, dass du ein sehr verwirrtes kleines Mädchen bist.«
Ich starrte sie an. »Wo ist Dad?«
Sie presste sich eine manikürte Hand an die Schläfe. »Dein Vater ist in Boston.«
Ich marschierte durch die Küche und nahm den Hörer vom Wandtelefon.
»Was tust du da? Unser Gespräch ist noch nicht zu
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