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Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Ocean Rose. Erwartung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Erwartung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
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euch jeden Tag in den Kombikinderwagen gesetzt und bin mit euch durch den Stadtpark spaziert. Und jeden Tag hat mich bestimmt einDutzend Leute angesprochen, um mir zu erzählen, was für wunderhübsche Töchter ich habe.«
    »Töchter«, wiederholte ich.
    »Ja, Justine war auch eine kleine Schönheit.« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. »Aber angeschaut haben sie alle nur dich.«
    »Okay, ich war also ein niedliches Baby«, sagte ich und übte mich in Geduld. »Justine war damals noch zu jung, um so etwas zu bemerken oder sich um die Meinung der Leute zu scheren, und als wir älter wurden, hat sich unser Beliebtheitsgrad umgekehrt.«
    Mom schien ihre nächsten Worte mit Bedacht zu wählen. »Erinnerst du dich noch an den Valentinstag, als du in der sechsten Klasse warst und Justine in der siebten? Ihr beide seid mit einer Lunchbox voller Grußkarten nach Hause gekommen.«
    »Kann schon sein«, meinte ich vage.
    »Und kannst du erraten, wie viele Karten Justine bekommen hat?«
    »Zehn? Zwanzig?«
    »Dreiunddreißig.«
    »Siehst du?«, sagte ich mit einem eigenartigen Gefühl von Triumph. »So viele hätten gar nicht in meine Lunchbox gepasst.«
    »Aber nur zwölf davon waren für Justine«, sagte Mom. »Sie kamen von ihren Freundinnen.«
    »Und?«, fragte ich, denn sie schaute mich an, als müsse ich wissen, worüber sie sprach.
    »Die Jungs in ihrer Klasse hatten dich gesehen, als ich euch beide zur Schule brachte. Viele haben sofort für dich geschwärmt und Justine die Valentinskarten für dich mitgegeben.«
    »Daran erinnere ich mich nicht.«
    »Nein, ich weiß. Du hast dir nie etwas dabei gedacht – weder damals noch später, als sich ähnliche Situationen häuften. Dir fiel es nicht auf, wenn Jungs mit dir flirteten oder sich mit Justine anfreundeten, weil sie hofften, dadurch an dich heranzukommen.«
    »Aber ich hatte bisher kein einziges Date.« Das stimmte immer noch, trotz der Sache mit Simon.
    »Schon, aber das lag nicht daran, dass niemand mit dir ausgehen wollte.«
    »Mom«, sagte ich ganz ruhig. »Justines liebstes Hobby war Wildwasser-Rafting, sie hat sich nachts aus dem Haus geschlichen, jede Menge Jungs geküsst und sich vor nichts und niemandem gefürchtet. Genau das haben alle an ihr geliebt. Mich eingeschlossen.«
    »Ja, alle diese Dinge hat sie getan. Und zwar, weil sie als deine Schwester das Gefühl hatte, die Leute würden sie nur dann bemerken, wenn sie sich unglaublich anstrengte. Zwar hat sie mit deinem Vater und mir weniger oft darüber geredet, als sie älter wurde, aber uns war trotzdem immer klar, warum sie sich so benahm. Also haben wir unser Bestes getan, ihr Halt zu geben und sie wissen zu lassen, dass sie geliebt wird.«
    »Falls das wirklich stimmt«, erwiderte ich ungläubig, »warum hat sie sich dann immer solche Mühe gegeben, mich zu beschützen, mir zu helfen, mir die Furcht vor all den Dingen zu nehmen, die mir Angst machten? Wenn es so schwer war, als meine Schwester zu leben, dann hätte sie doch wohl verbittert und eifersüchtig sein müssen? Wieso waren wir keine Rivalinnen, sondern beste Freundinnen?«
    »Weil du immer so ein unschuldiges, bescheidenes Kind warst. Ihr war klar, dass du keine Ahnung hattest, was alle in dir sahen. «Sie senkte den Blick. Ihr mit Lipgloss nachgemalterMund öffnete sich, als wolle sie noch etwas hinzufügen … doch am Ende blieb sie stumm.
    »Worauf willst du hinaus?« Ich musste mich bemühen, meine Stimme ruhig zu halten. »Was soll mir das alles sagen?«
    »Vanessa, deine Schwester war wunderhübsch, klug, witzig, abenteuerlustig und aufregend.« Ihre Augen waren feucht, als sie mich anschaute. »Aber gleichzeitig fällt mir niemand ein, der weniger Selbstvertrauen hatte als sie. Und ich glaube, deshalb hat sie es getan. Aus diesem Grund ist sie mitten in der Nacht von einer Klippe gesprungen, obwohl die Umstände nicht gefährlicher hätten sein können.«
    Ich starrte sie an. Wenn Mom damit recht hatte, dann war nicht Zara verantwortlich für Justines Tod.
    Sondern ich.
    »Nun ja«, sagte sie seufzend, »lass dir davon nicht dieses wunderbare Frühstück verderben. Wir haben bloß noch nie darüber gesprochen, was passiert ist, und deshalb –«
    Sie brach ab, als ich das Blatt Papier vor ihr auf den Tisch legte. Ich sah ihre Augen von dem grünen Post-it-Zettel am Rand zu den neun Worten in der Mitte wandern.
    »Was ist das?«, fragte sie, und ihr pinkfarbener Lippenstift schien dunkler zu werden, als ihr Gesicht die Farbe

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