Ocean Rose. Erwartung (German Edition)
verängstigt, um sich nach draußen zu wagen.«
»Genau das zu ändern ist unsere Aufgabe«, antwortete Raina. »Aus diesem Grund sind wir heute hier. Unser Festivalausschuss hat sich mächtig ins Zeug gelegt und Ideen gesammelt, um wieder Gäste in die Stadt zu bringen. Zusätzlich zu den aufregenden Jahrmarktsattraktionen und Aktivitäten gibt es viele Methoden, mit denen ihr als Geschäftsinhaber das Festival attraktiver machen könnt. Deshalb möchte ich euch nun bitten, euch jeweils einem Mitglied des Ausschusses anzuschließen, um diese Ideen zu diskutieren. Von Verlosungsaktionen bis zu kostenlosen Probierhäppchen … es gibt viele Möglichkeiten, wie sich Gäste und Käufer gewinnen lassen.«
»Bin gleich zurück«, flüsterte Simon mir zu.
Ich griff nach seiner Hand, aber er war schon verschwunden. Auf den Zehenspitzen stehend, sah ich mich um, doch die Menschenmenge stand zu dicht gedrängt.
»Bitte gebt uns außerdem eine ungefähre Schätzung, wie viele Gäste gewöhnlich an euren Stand kommen«, setzte Raina hinzu. »Und schreibt zehn Personen auf, die ihr persönlich ansprechen und mitbringen werdet.«
»Was ist, wenn wir gar nicht so viele kennen, die kommen wollen?«, fragte die Frau mit den achtzig Prozent Umsatzverlusten.
Rainas Silberaugen wurden schmal, bevor sie lächelnd antwortete: »Tust du aber.«
Stühle quietschten über den Linoleumboden, als die Zuhörer aufstanden und sich in kleine Gruppen aufteilten. Ich benutzte die Unruhe, um mich suchend durch die Menge zu bewegen. Zuerst hatte ich Simon aus den Augen verloren, jetzt auch noch Caleb und Mark. Als ich die vorderste Reihe erreichte, waren ihre Plätze leer. Ich versicherte mich, dass Raina von dem um sie versammelten Grüppchen abgelenkt war, und stellte mich auf einen Stuhl, um besser sehen zu können.
Sofort wurde mir vor Schmerz fast schwarz vor Augen. Die Migräne fühlte sich an wie eine Schraubzwinge, die meine Schädeldecke zerquetschte. Meine Knie gaben nach, und ich musste die Stuhllehne packen, um nicht zu fallen.
»Henry, Alan, Clifton: geht mit Dominique.«
Der Zara-Effekt.
»Thomas, Greg, Malcolm: geht mit Sabine.«
Ich schwankte zur Rückseite des Raums und lehnte mich gegen die Wand. Dort wartete ich, bis der Schmerz so weit abgestumpft war, dass ich die Augen wieder öffnen konnte, ohne mich sofort zu krümmen. Ich ließ meinen Blick durch die Menge schweifen. Simon, Caleb und Mark waren nochimmer nicht zu entdecken, aber da Zara zwischen den Leuten herumtänzelte, Anweisungen gab, Gespräche aufschnappte und in einem dicken Notizbuch kritzelte, waren die Jungs wohl sicherer, wo immer sie stecken mochten.
Ich näherte mich Raina, wobei ich mich an der Wand hielt und darauf achtete, nicht in Blickrichtung ihrer Tochter zu geraten. Raina stand mit den wenigen weiblichen Teilnehmerinnen zusammen, von denen anscheinend mehr Fragen und Einwände kamen als von den Männern. Nachdem ich so viele Feriensommer in Winter Harbor verbracht hatte, erkannte ich fast jeden im Raum … außer die Mitglieder des Festivalausschusses. Sie waren alle weiblich, unterschiedlich alt, manche groß, andere klein, manche blond, andere brünett. Keine von ihnen sah so umwerfend aus wie Raina, aber trotzdem wurden sie von den um sie versammelten Männern mit gebannter Aufmerksamkeit betrachtet.
»Ich verstehe eure Bedenken«, sagte Raina gerade zu der kleinen Frauenschar, als ich in Hörweite kam. »Was diesen Sommer passiert ist … einfach unvorstellbar! Aber wir müssen jetzt zusammenhalten und stark sein.« Sie senkte die Stimme. »Um ehrlich zu sein, wissen wir doch alle, dass es dabei nur auf uns ankommt. Wenn wir die Sache unseren Männern überlassen, dann stecken alle nur den Kopf in den Sand und warten darauf, dass der Sturm vorüberzieht. Aber eine Gemeinschaft lässt sich nicht heilen, indem man die Hände in den Schoß legt.«
Raina hatte keinen Mann, und ihre Kommentare über die Ehe ließen stark vermuten, dass sie auch keinen wollte. Aber das schien den Frauen egal zu sein. Ihnen gefiel der Gedanke, Stärke zu zeigen und gebraucht zu werden.
Ich ging weiter nach links und duckte mich schnell hinter Malcolm, den Besitzer des Squeezed, als Zara von ihrem Notizbuch aufsah. Sie schaute sich im Raum um undbeugte sich dann zu der blonden Frau namens Sabine vor. Malcolm rutschte auf seinem Stuhl hin und her und versperrte mir den Blick. Als ich wieder etwas sehen konnte, war Zara verschwunden.
Ich wollte mich gerade
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