Ocean Rose Trilogie Bd. 3 - Erfüllung
das einzureden. Besonderen Erfolg hatte ich nicht.
»Trotzdem hat Paige mit ihrer Bemerkung recht«, sagte Simon und scrollte auf der Seite nach unten. »Hier steht eine Menge unwichtiger Informationen über Erica … aber nichts darüber, wie sie gestorben ist.«
»Vielleicht wollte die Polizei nicht, dass Details bekannt werden, während sie noch in den Ermittlungen stecken.«
»Oder vielleicht ist die Polizei vom letzten Sommer noch so am Ende, dass sie einfach aufgegeben hat.« Paige schüttelte den Kopf. »Ich meine, es war mitten am Tag und mitten in der Stadt. Wie kann es sein, dass niemand etwas gesehen hat?«
Eine berechtigte Frage, auf die wir keine Antwort hatten. Ericas Leiche war hinter einer Mülltonne in der Seitengasse zwischen Kino und Bagelshop entdeckt worden. Den Schrei hatte eine alte Dame ausgestoßen, die ihren Enkel im Kinderwagen spazieren fuhr und dabei Ericas Bein hinter der Tonne hervorragen sah. Simon und ich waren mehrere Minuten eher am Tatort gewesen als die Polizei. Ich hatte Abstand gehalten und nur wie gebannt auf den pinkfarbenen Stöckelschuh gestarrt, der in der Gasse lag. Aber Simon war direkt zu Erica gegangen, hatte ihren Puls gefühlt und nach Zeichen für einen Kampf gesucht. Dann war er rund um den Block gesprintet und hatte Ausschau nach ihrem Mörder gehalten.
Aber der Schuldige war entkommen … und wie es schien, hatte er sich schnurstracks an den nächsten Computer gesetzt. Denn während Simon noch schwer atmend neben mir stand, hatte uns Caleb bereits gesimst, dass wir eine neue Mail bekommen hatten.
Niemand von uns war überrascht, dass der Anhang ein Foto mit Ericas leblosem Gesicht war.
»Es muss der Typ gewesen sein, der sie versetzt hat.« Simon schaute mich an. »Meinst du nicht auch? Wahrscheinlich hat er sich nur mit ihr verabredet, weil er so die perfekte Gelegenheit bekam.«
»Ja, vielleicht«, sagte ich. »Andererseits hat sie gesagt, dass sie ihn eingeladen hat. Und sie hatte ihn seit einem Monat regelmäßig im Coffeeshop gesehen. Heute haben wir den zehnten Juli, also sind noch gar nicht so lange Schulferien, und die Truppe am Bootsschuppen hat wie Studenten oder Oberstufler gewirkt.«
»Die Fotos auf der Kamera, die wir gefunden haben, sind vor drei Wochen aufgenommen worden.« Caleb zuckte mit den Schultern. »Ein paar Tage mehr oder weniger machen da wohl keinen Unterschied.«
»Was ist mit dem anderen Mädchen?«, fragte Simon. »Die sich so ausführlich geschminkt hat? Sie wusste, wer du bist, stimmt’s?«
Ich nickte und war froh, dass ich diesmal (fast) die ganze Wahrheit über die Szene auf der Damentoilette erzählt hatte. »Schon, aber sie hat eine Weile gebraucht, um mich zu erkennen. So ähnlich, wie es euch bei Erica gegangen ist. Sie wusste, dass sie mich irgendwoher kannte, aber der Groschen ist erst gefallen, als sie schon fast aus der Tür war.«
»Aber wie konnte sie dich überhaupt erkennen?«, fragte Caleb. »Zwar haben ein paar von den Zeitungsartikeln letztes Jahr erwähnt, dass Justine eine Schwester hat, aber ein Foto von dir war nie dabei.«
Damit hatten wir schon eine zweite gute Frage ohne Antwort. Auffällig war auch, wie lange die Brünette für ihr Haar und Make-up gebraucht hatte. Hatte sie vielleicht darauf gewartet, dass Erica aus der Kabine kam? Oder dass ich den Raum verließ? Oder beides?
»Also, wenn sie etwas damit zu tun hatte«, vermutete Simon, »dann war sie jedenfalls nicht allein. Die Würgemale auf Ericas Hals waren zu ausgeprägt. Jemand, der größer und stärker war, müsste ihr geholfen haben.«
Paige stöhnte, stand auf und ging zum Geländer des Pausenbalkons. »Wenn unsere verrückten Stalker dafür verantwortlich sind … warum tun sie das? Ich meine, wenn sie unsere Aufmerksamkeit wollen oder vorhaben, uns vor aller Welt zu enttarnen, dann sollten sie sich Männer als Opfer suchen. Das wäre viel alarmierender und würde uns vielleicht dazu bringen, aus der Deckung zu kommen. Und da sie anscheinend wissen, dass Vanessa in alles verwickelt ist, würde es viel mehr Sinn machen, uns direkt anzugreifen, oder? Denken diese Verrückten, dass alle Frauen in Winter Harbor so sind wie wir und bestraft werden müssen? Wenn das der Fall ist, dann … ich weiß auch nicht … sollten wir vielleicht die Leute warnen? Um zu verhindern, dass die weibliche Bevölkerung der Stadt ausgelöscht wird?«
Je länger Paige sprach, desto mehr überschlugen sich ihre Worte. Ich wollte aufstehen und zu ihr
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