Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Verwandlung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
Vom Netzwerk:
Bestattungsinstitut, nur dass die Geschöpfe darin noch lebendig waren. Zumindest schloss ich das aus den blubbernden Geräuschen, die durch das Gewölbe hallten. Anscheinend befanden wir uns in Bettys Keller, der eher einer Höhle mit feuchtem Steinboden und Felswänden glich. Von allen Seiten ertönten rhythmische Atemgeräusche. Genauso hörte ich mich selbst an, wenn ich unter Wasser atmete.
    Oliver saß am anderen Ende des Gewölbes an einem kleinen Metalltisch und hatte mir den Rücken zugewandt. Anscheinend schrieb er wieder in sein Buch. Neben seinem rechten Arm stand ein Laptop, auf dessen Bildschirm die Website des Winter Harbor Herald zu sehen war. Wenn ich die Augen schmal zusammenkniff, konnte ich gerade die Schlagzeile erkennen.
    DEEP SEA OR DIE gesunken; Hobbytaucher Gordon Yantz (28) und Nick Lexington (32) ertrunken
    Der Bootsname kam mir sofort bekannt vor. Ich hatte ihn gesehen, als ich am Wochenende auf Parkers Yacht gewesen war. Und hatte Simon nicht gesagt, dass Hobbytaucher eine Eiskammer voller Frauenleichen gefunden hatten? Vielleicht waren Gordon Yantz und Nick Lexington diese Taucher gewesen?
    Mein Bauchgefühl war jedenfalls dieser Meinung, und als ich sah, was um den Tisch herum auf dem feuchten Boden verstreut war, hatte ich keine Zweifel mehr.
    Dort lagen Dutzende von ausgeschnittenen Zeitungsartikeln, einige aus dem Herald , aber die meisten aus dem Boston Globe . Ich erkannte viele, die ich selbst genauestens studiert hatte: über den Busunfall, die toten Sportstudenten am Flughafen und Colin Milton Coopers Todessprung von der Longfellow-Brücke. Außerdem gab es Ausdrucke von Mails und eine Menge Fotos. Zum Teil waren es Nahaufnahmen der Todesopfer, aber andere Gesichter kamen mir noch bekannter vor.
    Zum Beispiel sah ich Paige, die auf einer Bank im Stadtpark saß und las. Ich sah Parker, der an einer U-Bahn-Station wartete und dabei mit seinem iPod herumspielte. Ich sah Simon neben einem Zeitschriftenkiosk stehen und einen Stadtplan von Boston studieren.
    Und ich sah mich selbst. Wie ich aus einer Wasserflasche trank, mir Luft zufächelte, die Sweatshirtkapuze über meinen Kopf zog, durch den Park auf den Pavillon zurannte.
    Wir wurden verfolgt. Beschattet. Ich wusste nicht genau, von wem und aus welchem Grund, aber an der Tatsache selbst bestand kein Zweifel. Besonders, da zwischen den Artikeln und Fotos ein dickes Scrapbook mit Stoffeinband lag, das genauso aussah wie die Bücher, die Zara und Raina mit ihren Eroberungen gefüllt hatten.
    Ich musste hier raus, und zwar schnell. Gehetzt schaute ich mich in dem Kellerraum um und war erleichtert, als ich meine Kleidung entdeckte, die ordentlich gefaltet auf der obersten Stufe einer schmalen Treppe lag. Auf dem Stapel sah ich mein Handy, und das blinkende Licht verriet, dass ich eine Nachricht bekommen hatte.
    Oliver war noch immer ins Schreiben vertieft und summte vor sich hin. Ich stützte mich mit beiden Händen am Wannenrand ab und hockte mich langsam hin. Mit geducktem Kopf wartete ich mehrere Sekunden in dieser Haltung. Da Oliver anscheinend nichts bemerkt hatte – denn die Atemgeräusche übertönten mein leises Geplätscher –, stand ich gebückt auf und sah, dass am Ende meiner hohen Wanne eine eiserne Trittleiter stand. Ich kletterte über den Rand und stieg auf Zehenspitzen die Metallsprossen hinunter. Bei jedem Wassertropfen, der den Steinfußboden traf, zuckte ich zusammen.
    Zitternd huschte ich geduckt auf die Kellertreppe zu und verschränkte die Arme über meiner nackten Brust. Ich ließ Oliver keinen Moment aus den Augen, doch er war zu sehr in sein Buch vertieft, um mich zu bemerken. Als ich bei den verstreuten Papieren vorbeikam, blieb ich stehen. Ich wartete kurz, bis das Atemgeblubber besonders laut anschwoll, und nutzte die Gelegenheit, so viele der Artikel und Fotos aufzusammeln, wie ich erreichen konnte, bevor das Geräusch wieder leiser wurde. Dann setzte ich meinen Weg fort und warf dabei kurze Blicke in die Holzwannen.
    Ich erkannte keine der schlafenden Frauen. Die Sirenen, die ich in der Nacht gesehen hatte, als wir den Hafen zufrieren ließen, waren genauso atemberaubend schön gewesen wie Raina und Zara. In meiner Erinnerung sah ich hochgewachsene Gestalten, goldbraune Haut, langes dichtes Haar und durchtrainierte Körper. Doch die Frauen in den Bottichen waren totenblass oder sogar bläulich, abgemagert und zerbrechlich. Ihr Atemrhythmus wirkte unnatürlich langsam. Zwei hielt ich zuerst für tot und

Weitere Kostenlose Bücher