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Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Verwandlung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
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Oliver war zu beschäftigt, um sie zu fahren …
    Vor Bettys Tür blieb ich stehen, atmete tief durch und versuchte, klar zu denken. Ich hob schon die Hand, um anzuklopfen, als ich bemerkte, dass die Tür nur angelehnt war. Durch den Spalt konnte ich sehen, dass Betty an der Fensterseite des Raumes stand und mir den Rücken zugewandt hatte. Sie hielt sich ein Telefon ans Ohr und schien konzentriert zuzuhören. Vorsichtig schob ich die Tür noch ein paar Zentimeter weiter auf und stellte mich so nah an die Öffnung, wie ich konnte, ohne das Zimmer zu betreten.
    »Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, mein Liebling«, sagte Betty mit sanfter, säuselnder Stimme. »Schließlich hast du dein Bestes getan. Das nächste Mal wirst du mehr Erfolg haben.«
    Das nächste Mal? Was für ein nächstes Mal? Sprach sie mit jemandem im Restaurant? Versuchte sie das Fischerhaus telefonisch zu managen?
    »In ein paar Wochen?« Bettys Stimme wurde härter, und sie richtete sich kerzengerade auf. »Das halte ich für keine gute Idee. Wie wir letztes Wochenende besprochen haben, gilt es, keine Zeit zu verlieren.«
    Ich sah, wie sie mit der freien Hand nach dem Fensterrahmen griff und das Holz so fest umklammerte, dass ihre Finger erst rot und dann weiß wurden.
    »Natürlich verstehe ich, dass du nervös bist. Schließlich geht es um eine große Veränderung in deinem Leben. Aber du brauchst dich nicht zu fürchten. Direkt danach wirst du dich ein bisschen schwach fühlen, doch mit genug Zeit und Training kannst du stärker werden als je zuvor.«
    Ich hielt den Atem an.
    »Willst du nicht das Leben führen, für das du bestimmt bist? Und wieder Teil einer Familie sein? Deiner Familie?«
    Erneut schwieg sie lange und hörte zu. Dabei zuckte ihr Kopf unruhig hin und her und erinnerte mich an das blinde Herumhuschen von Olivers Augen.
    »Verstehst du es immer noch nicht?«, zischte sie. »Das Mädchen macht sich nichts aus dir. Nicht wirklich. Du bist nur ein Ersatz für ihre tote Schwester.«
    Justine.
    Ich stieß ein leises Keuchen aus, als der Name in meinem Kopf auftauchte. Betty hatte ihn nicht laut ausgesprochen, aber dennoch hatte ich ihn deutlich gehört.
    Mit aufgerissenen Augen sah ich zu, wie sie das Telefon sinken ließ. Noch immer stand sie mit dem Gesicht zum Fenster. Ich war wie erstarrt und versuchte mich zu entscheiden, ob ich weglaufen sollte. Doch bevor ich etwas tun konnte, warf sie den Kopf zurück – und stieß einen langen, schneidend hohen Ton aus.
    Ich wurde gegen die Wand geworfen, als hätte mich eine Tsunamiwelle erfasst. Ich kniff die Augen zu und bedeckte meine Ohren mit den Händen, doch das Geräusch wurde nur noch lauter, als würde es im Inneren meines Kopfes entstehen. Als ich die Augen öffnen wollte, blendete mich ein Silberlicht, das greller als die Sonne war. Taub und blind taumelte ich durch den Flur, angetrieben von meiner Angst und einer unsichtbaren Kraft, die mich vorwärtsschob. Als ich dort ankam, wo ich die Treppe vermutete, nahm ich eine Hand vom Ohr, um nach dem Geländer zu tasten. Meine Finger trafen auf etwas Hartes, und obwohl ich nicht sehen konnte, was es war, hielt ich mich fest und zog mich daran entlang.
    Halb rannte und halb fiel ich die Treppe hinunter. Mit größerem Abstand wurden das Geräusch und das Licht erträglicher. Am Treppenabsatz summte mein Handy, und ich verlangsamte meine Flucht, um es aus der Tasche zu ziehen. Noch immer war meine Sicht zu vernebelt, um die Buchstaben und Zahlen auf dem kleinen Display zu erkennen. Ich blinzelte hastig, und als meine Augen wieder halbwegs funktionierten, sah ich im Spiegel gegenüber an der Wand, wie ein kleiner alter Mann mit Halbglatze von hinten auf mich zustürzte. Er hatte die Zähne gefletscht und schwang eine Axt über dem Kopf.
    »Oliver, was …«
    Mit einem lauten Krachen traf der Axtstiel meinen Kopf.
    Das Silberlicht vor meinen Augen verlosch.
    Als ich wieder zu Bewusstsein kam, stellte ich als Erstes fest, dass ich mich im Wasser befand. Es war salzig und kühl und fühlte sich unglaublich gut an. Deshalb brauchte ich einen Moment, um zu begreifen, dass ich nicht im Meer trieb, sondern in einer Art Holzwanne steckte. Das dumpfe Pochen in meinem Hinterkopf erinnerte mich daran, was passiert war. Außerdem war ich an Händen, Füßen und dem Hals unter Wasser festgebunden, was mir bestätigte, dass meine Probleme noch längst nicht vorbei waren. Ich versuchte mich aufzurichten und riss an den Fesseln, doch sie

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