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Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Verwandlung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
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die Hand zurück, bevor ich mir die Finger verbrannte. Es fühlte sich an, als hätte ich in eine offene Flamme gefasst. Doch das Messing war nicht heiß, sondern eiskalt. Es brannte in einem schimmernden Blau, das im Rhythmus meines Herzschlags zu pulsieren schien.
    Ich schloss die Augen und versuchte mir das Innere des Zimmers vorzustellen, wie ich es beim letzten Mal gesehen hatte. Weiße Möbel. Kristallene Parfümflaschen. Millionen winziger Lichtpunkte in riesigen Spiegeln, die vom Boden bis zur Decke reichten.
    Ich packte den Knauf erneut, drehte ihn und riss die Tür auf.
    Das Silberlicht verlosch.
    Hastig zog ich das Handy aus meiner Sweatshirttasche, klappte es auf und leuchtete mit dem Display in den Raum. Aber der blasse Lichtstrahl wurde von der Schwärze verschluckt.
    Ich schaute zurück durch den leeren Flur. Der Türspalt von Bettys Zimmer war eben noch hell gewesen, doch nun ebenfalls dunkel.
    Erleichtert atmete ich auf. Anscheinend war nur der Strom ausgefallen. In Zaras Zimmer hatte eine Lampe gebrannt, deren ganz normales Licht von meiner nervösen Phantasie in etwas anderes verwandelt worden war. Wenn man bedachte, was ich alles im Haus der Marchands erlebt und erfahren hatte, war diese Überreaktion nur verständlich. Immerhin war ich das erste Mal wieder hier, seit wir das Meer von Winter Harbor eingefroren hatten.
    Um ganz sicherzugehen, machte ich einige Schritte in das Zimmer hinein. Die Luft wurde stickiger, geradezu erdrückend. Sie roch abgestanden, als wären hier monatelang weder Fenster noch Türen geöffnet worden. Die Dunkelheit wurde weniger undurchdringlich, als ich mich der Fensterreihe näherte, denn draußen stand der Mond hoch am Himmel. Beim ersten Fenster blieb ich stehen und schaute auf den Ozean, der in dreißig Meter Tiefe gegen das Steilufer brandete. Dann drehte ich mich um und betrachtete das Zimmer.
    Meine Augen hatten sich so weit an die Dunkelheit gewöhnt, dass ich einige Meter weit sehen konnte, und ich wusste kaum, ob ich erleichtert oder enttäuscht sein sollte, dass der Raum völlig kahl und leer war. Es gab keine Möbel, keinen Nachttisch voller Parfümflakons. Die Spiegel waren abgenommen worden, und dahinter kam abgeblätterte Tapete zum Vorschein. Genau wie in Bettys Zimmer war der Teppichboden herausgerissen worden, so dass nur die blanken Holzdielen übrig waren.
    Falls Zara wirklich irgendwie dem Tod entronnen oder wieder zum Leben erwacht war, versteckte sie sich jedenfalls nicht hier.
    »Du solltest schlafen«, murmelte ich und machte mich auf den Rückweg zur Tür. »Dringend. Sofort.«
    Mein Blick war auf die Tür gerichtet, deshalb sah ich die Lampe nicht, die in der Mitte des Raums stand. Ich stieß mit dem rechten Fuß dagegen, so dass sie krachend zu Boden fiel. Das plötzliche Geräusch in der Stille wirkte ohrenbetäubend, und ich warf mich auf die Lampe, damit sie nicht noch weiter herumrollte und Paige weckte. Meine Finger fanden den Ständer, ich richtete die Lampe vorsichtig auf und stellte sie wieder hin.
    Alle meine Muskeln waren angespannt und schrien danach, die Treppe nach unten in Sicherheit zu laufen. Jemand spielte mit mir Katz und Maus. Ich zwang mich, lange genug im Zimmer zu bleiben, um an der dünnen, kurzen Metallkordel zu ziehen, mit der man die Lampe anschaltete.
    Die Glühbirne leuchtete auf. Im kreisrunden Lichtschein sah ich das Kabel, das quer durchs Zimmer bis zur Steckdose reichte.
    Und daneben auf dem Boden lag das Paddel eines Ruderboots, dessen Verzierung aus roten Ankern im hellen Licht wie Rubine funkelte.

K APITEL 11
    E s regnet junge Ratten«, stellte mein Vater fest.
    Ich starrte nach vorne durchs Autofenster. Die Scheibenwischer huschten hin und her, doch das Wasser strömte über das Glas, als wären sie gar nicht vorhanden.
    »Junge Ratten?«, wiederholte Paige.
    Dad lächelte sie im Rückspiegel an. »Als Vanessa noch klein war, fand sie das Sprichwort ›Es regnet junge Hunde‹ total gemein. Sie stellte sich vor, wie die armen Kleinen vom Himmel fielen und auf dem Boden aufschlugen. Mit Nagern hatte sie weniger Probleme. Deshalb benutzen wir seitdem unser eigenes Sprichwort, wenn es gießt.« Nach einer kurzen Pause fragte er: »Weißt du noch, Vanessa?«
    Mir war klar, dass er mich in die Story einbeziehen und hören wollte, warum wir uns damals ausgerechnet für Ratten entschieden hatten. Spinnen und ähnliches Krabbelzeug waren ebenfalls in die engere Wahl gekommen. Unsere Familie hatte zwei Tage lang

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