Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
eine ziemlich lange Zeit zusammen im Park verbracht.
Es war ja okay, dass er mir nicht gleich die Füße küsste. Aber nach unseren ganzen Treffen benahm er sich plötzlich, als wüsste er nicht einmal, wer ich war.
Ich lehnte mich zurück und schaute zu, wie sein Daumen über die weiße Schaltfläche des iPods flitzte und die Lautstärke erhöhte. Caleb hatte Musik benutzt, um Zara aus seinen Gedanken zu verdrängen, und diese Methode auch Simon empfohlen. Tat Parker gerade dasselbe? Versuchte er ein mysteriöses Signal zu übertönen, das ich aussandte, ohne mir dessen bewusst zu sein oder es steuern zu können?
Ich holte ein Schreibheft aus der Tasche und schlug eine leere Seite auf. Während ich so tat, als würde ich mitschreiben, was die Leute auf dem Podium zu sagen hatten, warf ich immer wieder unauffällige Blicke auf Parker. Weder zitterten ihm die Hände noch die Knie, und auf seiner Stirn war keine Spur von Schweiß zu sehen. Falls meine Nähe wirklich so belastend war, dass er die Musik aufdrehen musste, bis ich sie aus seinen Ohrstöpseln dröhnen hörte, dann verbarg er es ansonsten geschickt.
»Das erste Jahr am College kann vieles sein …«
Die bekannte Stimme weckte meine Aufmerksamkeit, und ich schaute hoch. Am Podium stand Natalie Clark – Justines Freundin, der ich am ersten Schultag zusammen mit Paige über den Weg gelaufen war.
»Oft ist es ein Riesenspaß.«
Ich duckte mich auf meinem Platz, während sie in die Runde lächelte.
»Aufregend, intellektuell stimulierend.«
Zur Sicherheit verbarg ich mich auch noch hinter meinem Schreibheft.
»Aber es kann auch sehr hart sein, besonders wenn man gleichzeitig mit außerschulischen Schwierigkeiten zu kämpfen hat.«
Zu spät, sie hatte mich entdeckt. Unsere Blicke trafen sich, und sie neigte den Kopf zur Seite.
»Das College-Studium an sich ist schon eine Herausforderung. Wenn man zusätzlich zum Unterricht und den Hausarbeiten auch noch persönliche Probleme mit sich herumschleppt, so wie ich damals – und wie bestimmt viele von euch –, kann es geradezu unerträglich werden.«
Sie schaute die ganze Zeit mich an und richtete ihre Worte nur an mich. Ich starrte auf mein Schreibheft und kritzelte darin herum, damit sie glaubte, dass ich mir dankbar ihre hilfreichen Tipps notierte.
»Hey.«
Weil ich so darauf konzentriert war, Natalies mitleidigem Blick auszuweichen, merkte ich zuerst gar nicht, dass Parker mit mir redete. Dazu musste er mir erst mit dem Daumen auf die Schreibhand tippen. Der Stift erstarrte zwischen meinen Fingern.
»Willst du auch hier raus?« Er hatte sich einen Stöpsel aus dem Ohr gezogen und beugte sich zu mir vor, wobei sein Gesicht noch immer ausdruckslos wirkte.
»Ja.«
Er musterte die versammelte Lehrerschaft, die einige Reihen weiter vorn saß. Als alle abgelenkt genug schienen, schwang er sich über seine Sitzlehne nach hinten. Ich zögerte kurz, bevor ich ihm hinterherkletterte. Hilfsbereit hielt er mir eine Hand entgegen, und ich ergriff sie. Sobald meine Füße den Boden berührten, ließ er mich wieder los, was mich gleich weniger nervös machte. Seine weiblichen Fans begannen wild miteinander zu flüstern, als sie unsere Flucht bemerkten. Ich konnte nicht mehr feststellen, ob ihre Missbilligung die Lehrer oder Miss Mulligan samt ihren Beraterkollegen auf uns aufmerksam machte, denn da waren wir schon aus der Aula verschwunden.
Im Flur marschierte er voran, ohne nachzusehen, ob ich ihm folgte. Fast hätte ich es nicht getan. Als wir uns der Bibliothek näherten, war ich in Versuchung, dort abzubiegen, ohne ihm Bescheid zu sagen. Aber ich war zu neugierig: Wohin führte er mich; wieso hatte er mich mitgeschleppt; warum benahm er sich in meiner Gegenwart so sprunghaft? Also lief ich ihm durch eine Reihe von Korridoren nach, bis wir bei einer Flügeltür aus dunklem Holz ankamen.
»Die Erik C. King Lounge für Wasserball«, las ich verblüfft auf einem Schild über der Tür.
»Eigentlich sollte jetzt keiner da sein.« Er zog einen Schlüssel aus der Hosentasche, schloss auf und öffnete die Tür. »Bitte, nach dir.«
Ich trat in einen großen Raum mit Ledersofas und Polsterstühlen, silbernen Abstelltischen und einem Flachbildschirm, der fast die ganze Wand einnahm. Daran angeschlossen war die Schulschwimmhalle mit Glasfenstern vom Boden bis zur Decke. Die Lounge war mit Bannern, Trophäen und Teamfotos dekoriert.
»Bestimmt ist dein Vater sehr stolz auf dich«, sagte ich und betrachtete ein
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