Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
intensiv über die passenden Tiere diskutiert, Listen und Schaubilder erstellt und dabei chinesisches Fastfood in sich hineingestopft. Aber ich war nicht in der Stimmung zum Geschichtenerzählen, sondern fühlte mich erschöpft, zerschlagen und versuchte immer noch, mir die Dinge zu erklären, die am Wochenende passiert waren.
Also antwortete ich nur: »Ja.«
»Jedenfalls ist das eine sehr passende Beschreibung für das Wetter da draußen«, sagte Paige. »Vielen Dank noch mal, dass Sie uns zur Schule fahren, Mr Sands.«
»Dafür habt ihr geduldig im Auto gewartet, während ich meinem Kollegen die Bücher vorbeigebracht habe. Wenn das Wetter bei Schulschluss immer noch so schlimm ist, ruft mich einfach an, und ich …«
Er trat hart auf die Bremse. Ich wurde nach vorn geschleudert und vom Sicherheitsgurt aufgefangen.
»Dad, was …«
Das Auto schleuderte nach links. Die Erschütterung raubte mir den Atem. Dann rutschten wir im Zickzack hin und her, während Dad mit dem Steuerrad kämpfte, um den Wagen auf der nassen Straße wieder unter Kontrolle zu bekommen. Ich presste die Füße auf den Boden und hielt mich am Deckengriff fest. Auf der Rückbank hörte ich Paige schrille Schreie ausstoßen. Ein Blick in den Seitenspiegel zeigte mir, dass sie beide Hände vor das Gesicht geschlagen hatte.
Gleich darauf traf der linke Vorderreifen auf den hohen Bordstein, und das Auto kam rüttelnd zum Stehen.
»O nein«, hauchte Paige.
Mit zitternden Fingern bemühte ich mich, meinen Sicherheitsgurt zu lösen. Beim dritten Versuch gelang es mir, und ich drehte mich in Paiges Richtung. »Ist alles okay mit dir?«
Sie hatte sich ebenfalls nach hinten gewandt und starrte durch das Rückfenster.
»Paige«, fragte ich, »was ist los?«
»Schlimmer Unfall«, erklärte Dad. »Ruf die Polizei und den Notarzt. Ich bin gleich zurück.«
»Warte …«
Aber da war er schon verschwunden.
Als Paige sich zu mir umdrehte, waren ihre Augen weit aufgerissen. Sie sackte auf ihrem Platz zusammen und sagte heiser: »Ein Bus ist umgestürzt. Auf der Uferstraße. Zusammengequetscht wie eine riesige Ziehharmonika.«
»Hast du gesehen, wie das passiert ist?«
Sie schüttelte den Kopf. »Der Regen war zu dicht.«
»Kannst du bitte meinen Dad im Blick behalten?«, bat ich und wühlte im Rucksack nach meinem Handy. Nachdem ich den Unfall gemeldet hatte, kletterte ich zwischen den Autositzen hindurch und kniete mich neben Paige.
Das hintere Ende des Busses hing über dem Pier beim Aquarium. Es ließ sich schwer sagen, was den Unfall verursacht hatte, da inzwischen ein Dutzend Autos vor dem Pier standen und die Sicht versperrten. Eine Menge Leute liefen auf den Bus zu, um zu helfen, während andere bei ihren Fahrzeugen blieben, in ihre Handys sprachen und dabei wild gestikulierten.
Bald kam die Polizei und kurz danach mehrere Krankenwagen. Dann die Feuerwehr. Dad sprach mit verschiedenen Leuten in Uniform und schien als Augenzeuge zu berichten, was er gesehen hatte. Paige und ich starrten durch das Autofenster auf die Szene, bis die Katastrophenhelfer das erste Unfallopfer auf einer Trage herausbrachten. Von unserer Position in fünfzehn Meter Entfernung konnte ich nicht erkennen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, aber eins sah ich genau: Die Gestalt regte sich nicht.
Kurz darauf kam Dad triefend nass vom Regen zurück. Wir fuhren langsam in weitem Bogen um den Bus herum. Als wir schließlich bei unserer Schule ankamen, war die erste Stunde bereits halb vorbei.
»Wenn wir uns beeilen, kommen wir noch zum Absolvententreffen«, rief Paige, und ich hatte keine Ahnung, wovon sie redete. Sie riss die Autotür auf und rannte durch den Regen davon, wobei sie sich eine Ausgabe von Shakespeares Wintermärchen als Schutz vor dem Regen über den Kopf hielt.
»Vanessa …«
Ich hatte gerade vom Rücksitz krabbeln wollen, als die Stimme meines Vaters mich zurückhielt.
»Sei vorsichtig, okay?«, sagte er.
Ich schaute ihn an. »Weswegen?«
»Wegen …« Er schaute durch die Windschutzscheibe auf das Schulgebäude und dann wieder zurück zu mir. »Ach, ich weiß auch nicht. Vergiss es einfach! Viel Spaß in der Schule.«
Ich stieg aus und schlug die Tür zu. Vom Bürgersteig sah ich ihm nach, als er davonfuhr, und fühlte kaum den Regen, der mein Haar, meine Kleidung und meine Schuhe durchnässte.
Wusste mein Vater etwas? Wusste er, dass ich etwas wusste? Oder waren seine warnenden Worte nur eine normale Reaktion darauf gewesen,
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