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Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)

Titel: Ocean Rose. Verwandlung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tricia Rayburn
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Cremeweiß.
    Niemand außer mir betrat diesen Raum. Hatte Mom die Putzfrau gebeten, Justines Kleidung wegzupacken, ohne dem Rest der Familie etwas davon zu sagen? Und falls ja, wieso hatte die Putzfrau dann stattdessen die Herbstkleidung in den Schrank getan? Aus reiner Gedankenlosigkeit?
    Vielleicht hatte Mom auch selbst die Kleidung ausgewechselt.
    Mir wurde schon wieder ganz heiß, und der Schweiß brach mir aus. Ich klappte den Schrank zu, wischte mir das Gesicht und die Arme mit dem Duschhandtuch ab und erneuerte mein Make-up. In meinem Koffer fand ich saubere Jeans und ein weißes Shirt, das nicht allzu zerknüllt aussah. Eine passende rote Samtjacke war vor ein paar Tagen wie durch Magie mitsamt Nordstrom-Einkaufstüte vor meinem Bett aufgetaucht. Vermutlich hatte Mom sie bei ihrer Aufräumaktion in einem Kellerkarton mit alter, wenig getragener Kleidung gefunden.
    »Wie hübsch du aussiehst!«, sagte Mom, als ich kurz darauf die Küche betrat. »Ich wusste gleich, die Jacke würde dir fabelhaft stehen.«
    »Wieso ist die andere Kleidung nicht im Keller?«, fragte ich.
    Bei meinem Tonfall gefror ihr Lächeln und verschwand dann ganz.
    »Welche andere Kleidung?«
    »Die von Justine. Ihre Herbstsachen hängen im Schrank.«
    Mom drehte sich zu Paige um. »Ist das Messer auch scharf genug, Liebes?«
    »Hast du die Kleidung da reingepackt?« Ich marschierte auf den Küchentisch zu und stellte mich direkt neben ihren Stuhl. »Oder war es die Putzfrau?«
    »Möchtest du vielleicht einen Käsetoast, Paige?« Sie stand auf, als sei ich gar nicht da. »Gestern habe ich auf dem Markt einen phantastischen Camembert gekauft …«
    Ich warf einen Blick auf Paige, die mit einem Zierkürbis in der einen Hand und einem Schnitzmesser in der anderen am Tisch saß und nicht wusste, wie sie sich verhalten sollte. Mit einem flüchtigen Lächeln versuchte ich sie zu beruhigen und ging meiner Mutter zum Kühlschrank nach.
    »Ich habe eine ganz einfache Frage gestellt, Mom. Würdest du mir bitte sagen …«
    Sie warf krachend die Kühlschranktür zu. »Ja, ich habe ihre Herbstsachen aufgehängt. Eigentlich wollte ich nur ihre Sommerkleidung wegpacken, aber dann habe ich es einfach nicht ausgehalten, wie der Schrank danach aussah – so leer, so …«
    Ihre Stimme versagte, und sie schnappte nach Luft. Mit aufgerissenen, tränennassen Augen hielt sie das Stück Camembert umklammert und drückte es so fest, dass die weiße Masse zwischen ihren Fingern hindurchquoll.
    »Ist schon okay.« Ich trat einen Schritt auf sie zu und öffnete die Arme, um sie an mich zu ziehen. »Ich weiß, wie hart das alles ist. Tut mir leid, ich wollte nicht …«
    »Blumenkohl ist die Lösung!«, trötete Dad.
    Ich erstarrte, und Mom schaute zu ihm hoch.
    »Als Haar für die Kürbisgesichter.« Er hielt sich einen Blumenkohlstängel neben den Kopf, damit wir die Ähnlichkeit bewundern konnten. »Na, wie findet ihr das?«
    »Dad, gerade ist nicht der richtige Moment, um …«
    »Genial!«
    Ich musste mich am Küchentresen festkrallen, um Mom nicht mit Gewalt wieder zu mir umzudrehen. Noch immer mit dem zerquetschten Camembert zwischen den Fingern wandte sie sich Dad zu, der an der Spüle stand.
    »Wir finden die Idee genial.« Sie lächelte strahlend zu ihm hoch. »Vielen Dank.«
    Er gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze, ließ das Stück Blumenkohl in die Spüle plumpsen und löste sanft ihre Finger von dem Camembert.
    Ich sah zu, wie er ihre Hände unter den Wasserhahn hielt und abwusch. Dabei machte er eine leise Bemerkung, die Mom zum Lachen brachte. Mein Blick wanderte weiter über die leeren Saftbecher auf dem Küchentresen bis zu den Zierkürbissen und Paige, die noch immer wie erstarrt das Schnitzmesser hielt.
    In diesem Moment wurde mir klar, dass unsere Familie immer so funktioniert hatte. All die Ausflüge, Spieleabende, Sonntagsdinner – sie hatten uns davon abgehalten, uns jemals mit ernsten Themen zu beschäftigen. Ihr Zweck war gewesen, uns von der Tatsache abzulenken, dass Mom geschätzte hundert Stunden pro Woche arbeitete und Dad ähnlich viel Zeit damit verbrachte, sein Fachbuch zu schreiben, an der Universität zu lehren und wissenschaftliche Literatur zu lesen. So mussten sie weniger Zeit mit Lügen füllen.
    Die ganzen Jahre hindurch hatten wir uns alle gegenseitig etwas vorgespielt. Nur wollte ich jetzt damit aufhören, während Mom und Dad wild entschlossen waren, die Fassade aufrechtzuerhalten.
    »Ich muss hier raus«, sagte ich und

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