Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
zum Abschied zu umarmen. Erst da wurde mir bewusst, was er gerade gesagt hatte. Ich blieb wie angewurzelt stehen, und mein Gesicht nahm anscheinend eine ungesunde Farbe an, denn Caleb trat besorgt einen Schritt näher.
»Davon hattest du noch nichts gehört?«, fragte er leise.
Ich wollte den Kopf schütteln, war aber noch immer wie erstarrt.
»Letztes Wochenende gab es eine irre Hitzewelle, und der letzte Rest der Eisdecke ist geschmolzen.«
»Hast du …«, flüsterte ich. »Haben sie …«
»Niemand hat etwas Ungewöhnliches gesehen. Weil es nichts zu sehen gibt.«
»Klar.« Ich brachte ein Nicken zustande. »Stimmt.«
»Vanessa, du weißt doch am besten, welche Gefühle Zara für mich hatte. Wenn sie immer noch am Leben wäre … meinst du nicht, dass sie sich als Erstes auf mich stürzen würde?«
Mir traten Tränen in die Augen – zum Teil aus Erleichterung, weil Caleb natürlich recht hatte, zum Teil aber auch, weil die ruhige Autorität in seiner Stimme mich an Simon erinnerte.
Er öffnete die Arme, und ich ließ mich hineinfallen. So standen wir eine ganze Weile, bevor er mich wieder losließ. Als er sich zum Gehen wandte, warf er mir noch ein Lächeln zu und rief über die Schulter: »Mein Bruder soll zusehen, dass er dich gut behandelt!«
Wahrscheinlich hätte das ausgereicht, um mich komplett zusammenbrechen zu lassen, wenn nicht in diesem Moment mein Handy gesummt hätte. Mit schweißnassen Fingern versuchte ich es aus der Jeanstasche zu ziehen und brauchte zwei Anläufe, bevor ich Erfolg hatte.
Hi, Oma B seltsam drauf und möchte mich allein hierhaben, um zu reden. Tut mir echt leid. Ist das okay für Dich?? LG von P
P, nicht S.
Ich ließ mich zurück auf den Stuhl sinken und tippte eine Antwort.
Kein Problem. Hoffe, sie ist okay. Übernachte im Ferienhaus. Komme morgen früh bei euch vorbei.
Kaum eine Sekunde später summte das Handy wieder.
Hab Dich in der Stadt gesehen. Stecke hier den ganzen Abend fest. Lust auf ein Treffen?
K APITEL 18
I ch hatte drei gute Gründe, auf Parkers Einladung einzugehen. Der erste war ganz einfach, dass ich nicht allein sein wollte. Ich konnte zwar immer noch bei Betty auftauchen und mich möglichst unauffällig benehmen, aber dann würde Paige darauf bestehen, sich um mich zu kümmern, anstatt mit ihrer Oma zu reden.
Also blieb mir nur die Möglichkeit auszugehen, und damit war ich schon bei dem zweiten Grund: Anscheinend hatte ich nicht die gleiche Wirkung auf Parker wie auf andere Jungs. Okay, wir hatten im Flussschlamm rumgeknutscht, aber daran war nur die Tatsache schuld, dass ich ihn für Simon gehalten hatte und dass Parker – wie jeder auf der Privatschulenklatschwebsite wusste – kein Mädchen abwies, das sich ihm an den Hals warf. Solange ich die Augen offen hielt, sollten wir uns treffen können, ohne in peinliche Situationen zu geraten. Gleichzeitig würde seine Begleitung mich vor unerwünschten Annäherungsversuchen schützen, wenn ich mich in die Öffentlichkeit wagte.
Natürlich konnte ich nicht einfach so tun, als hätte es unsere Spontanknutscherei nie gegeben, und genau das war Grund Nummer drei. Ich würde unser Treffen nutzen, um das Missverständnis aufzuklären. Wenn ich ihn darum bat, konnte er vielleicht sogar die Leute von Prepschool Watch dazu bringen, das Foto zu löschen, bevor ich richtig im Schlamassel steckte.
Alle drei Gründe waren überzeugend und logisch, doch leider konnten sie trotzdem mein schlechtes Gewissen nicht beruhigen, als ich unentschlossen auf dem Parkplatz des Lighthouse Resort herumstand.
»Sie haben dich schon im Visier.«
Ich schaute hoch und entdeckte Parker auf dem Sonnendeck einer zweistöckigen Yacht. Er hielt eine Flasche Wein und zwei Gläser in den Händen.
»Ganz im Ernst«, fuhr er fort, »du drückst dich so lange da unten herum, dass mich der Sicherheitsdienst angerufen hat, um zu fragen, ob es ein Problem gibt.«
Als ich einen Blick über die Schulter warf, sah ich tatsächlich zwei Männer in Lighthouse-Uniform, die mich von einem Golfmobil aus beobachteten. »Ich trinke keinen Alkohol«, sagte ich und wandte mich wieder zu Parker um.
»Wie passend. Ich nämlich auch nicht.«
Ich wartete auf ein ironisches Lächeln, aber er blieb völlig ernst. Noch einmal sagte ich mir, dass ich für diesen Abend keine bessere Alternative hatte, und brachte meine Füße dazu, sich in Bewegung zu setzen. Ich marschierte den Kai entlang und die Gangway hoch. Oben angekommen, wurde ich von Parker
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