Ocean Rose. Verwandlung (German Edition)
erwartet. Er hatte den Wein weggestellt und hielt mir eine Hand entgegen.
»Das hier ist kein Date«, verkündete ich, bevor ich an Bord ging.
»Weil du nämlich einen festen Freund hast.«
Auch diesen Satz sagte er ohne ein Anzeichen von Ironie, was mich einigermaßen beruhigte. Ich verzichtete darauf, ihn über Simon und mich aufzuklären, nahm seine Hand und betrat die Yacht. Gleich darauf ließ er meine Finger wieder los, drehte sich um und ging zur Hauptkabine. Ich folgte ihm – vor allem, weil es ihm fast egal zu sein schien, ob ich ihm hinterherlief oder nicht.
»Ihr habt das Boot schon winterfest gemacht?«, fragte ich, denn sämtliche Möbel in der Kabine, die eher wie ein Mehrzimmerappartement aussah, waren sorgfältig zugedeckt. Aus den weißen Laken schauten nur zwei Barhocker, der Tresen und der Fernseher hervor.
»Wir haben es die ganze Saison nicht benutzt.« Er holte zwei Wasserflaschen aus dem Kühlschrank und reichte mir eine davon.
»Wieso seid ihr dann ausgerechnet jetzt hergekommen?«, wollte ich wissen.
Er griff in einen Mülleimer neben der Bar und zog ein rotes Sweatshirt heraus. Darauf stand: Jau! Ein Kabeljau! – Unser Jahresfestival im Hochseeangeln.
»Das sind die zwei Tage im Jahr, an denen mein Vater sich freinimmt, um sich ganz seinem Sohn zu widmen. Na ja, richtig frei hat er natürlich nicht, aber immerhin lässt er sich nur Termine geben, die er per Handy und Internet abwickeln kann. Seine Sekretärin sorgt für passende Souvenirs, damit das Ereignis auch denkwürdig genug ist.«
Er warf das Sweatshirt zurück in den Mülleimer, wo es auf mehreren leeren Weinflaschen landete.
»Ist er oben an Deck?«, fragte ich.
»Jetzt nicht mehr. Im Moment nimmt er sein Dinner im Lighthouse Resort ein. Nach einem Gourmet-Hummer-Menü wird er sich in unser Ferienhaus zurückziehen und auf Sportsender starren, bis der Alkohol ihn umwirft.«
»Wieso hat er dich nicht zum Essen mitgenommen?«
Parkers Augen wurden schmal.
»Sorry«, sagte ich schnell. »Das geht mich echt nichts an. Ich weiß gar nicht, wieso …«
Das Klingeln seines Handys unterbrach mich. Parker holte es aus der Hosentasche und sagte dem Anrufer, er solle an Bord kommen. Bevor ich weiterreden konnte, ging die Kabinentür auf, und ein Pizzabote kam herein.
»Ich habe uns eine mit Käse und eine mit Peperoni bestellt. Das ist hoffentlich okay?« Der Pizzamensch bekam sein Geld und ich ein flüchtiges Lächeln zugeworfen. »Du kannst deine Pizza selbst bezahlen, wenn du willst. Schließlich ist das hier kein Date.«
Noch vor ein paar Minuten hätte mich die Kombination aus Flirten und Necken panisch zum Auto rennen lassen, aber jetzt wirkte es eher entspannend. Er wollte, dass ich mich wohl fühlte. Die Andeutungen über seinen Vater und ihr »gemeinsames« Wochenende ließen keinen Zweifel, dass er einfach nur Gesellschaft brauchte und absolut jeden eingeladen hätte, nicht nur mich.
Wir entschieden, die Pizzas draußen zu essen, und ich folgte ihm aus der Kabine auf das ausgedehnte Deck. Am Bug angekommen, stiegen wir über eine weiße Kette, die den Bootssteven abriegelte. Parker hielt mir weder höflich die Hand hin, noch schaute er über die Schulter, ob ich ihm folgte, also tat ich es ohne Zögern.
»Netter Blick«, stellte ich fest, als wir ganz vorn an der Spitze der Yacht standen. Man konnte über den Hafen hinweg die Lichter von Winter Harbor glitzern sehen.
Er setzte die Pizzas ab, nahm ein Stück und hockte sich auf die Reling, so dass seine Beine herunterbaumelten. »Was ist noch mal der Grund, weshalb du in der Stadt bist?«
Ich saß einen guten Meter entfernt auf dem Boden, hatte den Rücken an die Reling gelehnt und die Knie angezogen. »Ich schaue nach, ob mit unserem Ferienhaus alles okay ist.«
Er nickte, wir kauten schweigend vor uns hin, und Parker starrte auf den nächtlichen Horizont. Woran er wohl dachte? Er wirkte abwesend, als sei er gar nicht ganz da. Was immer zwischen ihm und seinem Dad vorgefallen war, musste ziemlich schlimm gewesen sein. Ich überlegte, ob ich unsere Begegnung bei der Longfellow-Brücke ansprechen sollte, aber jetzt schien nicht der richtige Moment zu sein. Erstens wollte ich nicht, dass er sich noch schlechter fühlte, und zweitens kam es mir weniger dringend vor, die Sache zu klären, denn er hatte offenbar ganz anderes im Kopf, als mit mir zu knutschen. Je länger wir so zusammensaßen, ohne dass ich mir Sorgen um sein Benehmen zu machen brauchte, desto
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